Wintermond
war Travis Potter zwar der Vorstellung gegenüber aufgeschlossen, daß hier etwas Ungewöhnliches geschehen war, doch Andeutungen über Geister, Besessenheit und unheimliche Gespräche auf einem Friedhof mit einer Wesenheit aus dem Jenseits würde er bestimmt nicht ernst nehmen. Sonst noch etwas? hatte Travis gefragt. Jack schüttelte den Kopf. »Das ist alles.«
»Na ja, woran auch immer diese Waschbären gestorben sind...vielleicht ist es jetzt vorbei, und wir werden es nie erfahren. Die Natur hat jede Menge seltsame kleine Tricks in petto.«
Um dem Blick des Tierarztes auszuweichen, zog Jack den Jackenärmel zurück und sah auf seine Uhr. »Wenn Sie mit Ihrer Runde fertig sein wollen, bevor es zu schneien anfängt, habe ich Sie schon zu lange aufgehalten.«
»Konnte sowieso nicht hoffen, daß mir das gelingt«, sagte Travis. »Aber ich müßte wieder zu Hause sein, bevor die Schneeverwehungen so hoch sind, daß der Rover nicht mehr mit ihnen klarkommt.«
Sie wechselten einen Händedruck. »Vergessen Sie nicht«, sagte Jack, »morgen in einer Woche, um sechs Uhr zum Abendessen. Und wenn Sie eine Freundin haben, bringen Sie sie mit.«
Travis grinste. »Wenn Sie meine Visage betrachten, halten Sie es für unmöglich, aber es gibt wirklich eine junge Dame, die bereit ist, sich mit mir sehen zu lassen. Sie heißt Janet.«
»Wir freuen uns, sie kennenzulernen«, sagte Jack.
Er schleppte den Fünfzig-Pfund-Sack Hundefutter vom Rover, blieb neben der Auffahrt stehen und beobachtete, wie der Tierarzt umdrehte und davonfuhr. Travis Potter sah in den Rückspiegel und winkte. Jack winkte ebenfalls und blickte ihm nach, bis der Rover um die Kurve und über den niedrigen Hügel direkt vor der Landstraße verschwunden war. Der Himmel war von einem tieferen Grau als um die Stunde, da der Tierarzt gekommen war. Eisen statt Asche. Grau wie ein Verlies. Die tiefhängenden Wolken und die schwarz-grüne Phalanx der Bäume kamen Jack jetzt so bedrohlich einengend vor wie Mauern aus Beton und Stein. Vom Nordwesten blies ein bitterkalter Wind, der von Kiefernduft und dem schwachen Ozongeruch von hohen Bergpässen versüßt wurde. Dieser stürmische Luftstrom erzeugte ein leises, klagendes Geräusch in den Ästen der Nadelbäume; die Wiesen verschworen sich mit ihm und gaben ein flüsterndes Pfeifen von sich; und die Dachrinnen des Hauses fielen ebenfalls in diesen schaurigen Chor ein und gaben leise, heulende Geräusche von sich die wie die schwachen Klageschreie sterbender Eulen klangen, die mit gebrochenen Schwingen in der Dunkelheit auf den gleichgültigen Wiesen lagen. Die Landschaft war selbst in der Schwermut des aufziehenden Sturms wunderschön, und vielleicht war sie so friedlich und ruhig, wie er sie wahrgenommen hatte, als sie von Utah hierhergefahren waren. In diesem Augenblick schien Jack jedoch kein einziges der üblichen Adjektive aus den Reiseführern zutreffend zu sein. Nur ein Wort war jetzt angemessen: einsam. Es war der einsamste Ort, den Jack McGarvey je gesehen hatte, auf Kilometer hinweg unbewohnt, weit entfernt von jedweden Nachbarn oder menschlichen Ansiedlungen. Er lud den Sack Hundefutter auf seine Schulter. Der schwere Sturm zog auf. Jack ging ins Haus. Er schloß die Haustür hinter sich ab. Er hörte Gelächter in der Küche und ging hinein. Falstaff saß auf den Hinterläufen, hatte die Vorderpfoten angehoben und sah sehnsüchtig zu einem Stück Wurst hoch, das Toby ihm hinhielt.
»Dad, sieh doch, er macht Männchen.«
Der Retriever leckte sich das Maul. Toby ließ die Wurst fallen. Der Hund schnappte sie noch in der Luft, verschlang sie und bettelte um mehr.
»Ist er nicht toll?« sagte Toby.
»Er ist toll«, pflichtete Jack ihm bei.
»Toby hat größeren Hunger als der Hund«, sagte Heather und nahm einen großen Topf aus dem Schrank. »Er hat nichts zu Mittag gegessen, nicht mal das Rosinenbrötchen, das ich ihm mitgegeben habe, als er spielen ging. Ich mache das Abendessen heute früher.«
»Prima«, sagte Jack und stellte den Beutel Hundefutter in einer Ekke ab, um ihn später in einem Schrank zu verstauen.
»Spaghetti?«
»Ausgezeichnet.«
»Wir haben einen Laib Weißbrot. Machst du den Salat?«
»Klar«, sagte Jack, als Toby dem Hund noch ein Stück Wurst gab.
Heather ließ Wasser in den Topf fließen. »Travis Potter scheint wirklich nett zu sein«, sagte sie.
»Ja, ich mag ihn auch. Nächsten Sonntag bringt er eine Freundin zum Essen mit. Sie heißt Janet.«
Heather lächelte und
Weitere Kostenlose Bücher