Wintermond
befanden sich in einem Eckschrank Jagdgewehre, eine Schrotflinte, eine Pistole vom Kaliber .22, ein Revolver - ein Colt .45 und Munition. Er wählte jedoch drei Waffen aus ihrem eigenen Bestand aus: einen wunderschönen Korth .38; eine Mossberg-Schrotflinte vom Kaliber 12 mit Pistolengriff; und eine Micro Uzi wie die, die Anson Oliver benutzt hatte. Allerdings handelte es sich bei diesem Modell um die vollautomatische Version. Die Uzi hatte Heather auf dem Schwarzmarkt erworben. Es kam ihm seltsam vor, daß die Frau eines Polizisten das Bedürfnis verspürte, eine illegale Waffe zu erwerben - und noch seltsamer, daß ihr dies so problemlos möglich gewesen' war. Er schloß die Tür des Arbeitszimmers und lud die drei Waffen schnell durch, solange er noch allein war. Er wollte diese Vorsichtsmaßnahme nicht mit Heathers Wissen treffen, denn dann hätte er ihr erklären müssen, wieso er der Ansicht war, daß sie Schutz brauchten. Sie war so glücklich, wie schon lange nicht mehr, und er wollte ihr die Stimmung nicht verderben, bis es - falls überhaupt - unumgänglich wurde. Der Zwischenfall auf dem Friedhof war erschreckend gewesen; doch obwohl er sich bedroht gefühlt hatte, war ihm kein wirklicher Schaden zugefügt worden. Er hatte größere Angst um Toby als um sich selbst gehabt, aber auch dem Jungen war nichts geschehen, und es ging ihm nicht schlechter als zuvor. Und was war überhaupt passiert? Er konnte kaum erklären, was er eher gespürt denn wirklich gesehen hatte: eine gespenstische und rätselhafte Präsenz, die nicht handfester als der Wind gewesen war. Von Stunde zu Stunde wurde der Eindruck immer stärker, diese Begegnung wäre nicht in Wirklichkeit, sondern nur in einem Traum erfolgt. Er lud den .38er und legte ihn auf den Schreibtisch. Er könnte Heather natürlich von den Waschbären erzählen, obwohl er selbst keinen gesehen hatte und sie niemandem Schaden zugefügt hatten. Er konnte ihr von der Schrotflinte erzählen, die Eduardo Fernandez im Tod umklammert hatte. Aber der alte Mann war nicht von einem Feind zur Strecke gebracht worden, den man mit einer Ladung Schrot hätte verletzen können; ein Herzanfall hatte seinem Leben ein Ende gemacht. Ein Infarkt war eine schlimme Sache, aber mit Feuerwaffen abschrecken kein Mörder, den man konnte. Er lud die Mossberg durch, legte eine Patrone in den Lauf und eine weitere in die Kammer. Ein zweiter Schuß. Eduardo hatte seine Waffe kurz vor seinem Tod ähnlich vorbereitet...
Wenn er jetzt versuchte, Heather alles zu erklären, würde er sie nur beunruhigen, aber nichts damit erreichen. Vielleicht gab es ja gar keinen Ärger. Vielleicht würde er der Wesenheit, die er auf dem Friedhof gespürt hatte, nie wieder begegnen. Eine solche Episode im Leben war mehr Kontakt mit dem Übersinnlichen, als die meisten Menschen je erfuhren. Warte die Entwicklungen ab, sagte er sich. Hoffe, daß es keine Wiederholung gibt. Aber sollte sich doch etwas tun und sollte er doch einen konkreten Beweis für eine Gefahr erlangen, würde er Heather dann vielleicht - und nur vielleicht - wissen lassen, daß ihr Jahr der stürmischen Ereignisse noch nicht vorüber war. Die Micro Uzi verfügte über zwei Magazine, die im rechten Winkel zueinander angebracht waren und gemeinsam vierzig Schuß enthielten. Die Durchschlagkraft der Waffe war beruhigend. Über zwei Kilo Tod warteten darauf, ausgeteilt zu werden. Er konnte sich keinen Feind vorstellen - ob nun wildes Tier oder Mensch - , mit dem die Uzi nicht fertig würde. Er legte den Korth in die obere rechte Schreibtischschublade. Er schob die Schublade zu und verließ das Arbeitszimmer mit den beiden anderen Waffen. Bevor Jack am Wohnzimmer vorbeischlüpfte, wartete er, bis er Toby lachen hörte, und warf dann einen Blick um den gewölbten Türpfosten. Der Junge konzentrierte sich auf das Fernsehgerät, und Fallstaff saß neben ihm. Jack eilte in die Küche am Ende der Diele und versteckte die Uzi in der Speisekammer hinter Packungen mit Cornflakes, Weizenkleie und Haferflocken, die sie in dieser Woche noch nicht öffnen würden. Oben, im Schlafzimmer, erklang hinter der geschlossenen Tür des benachbarten Badezimmers unbeschwerte Musik. Heather lag in der Wanne und hatte im Radio einen Sender eingeschaltet, der Oldies spielte. >Dreamin'< von Johnny Burnette endete gerade. Jack schob die Mossberg unter das Bett, so tief, daß sie die Waffe nicht bemerken würde, wenn sie morgens das Bett machte, aber nicht so tief, daß er nicht
Weitere Kostenlose Bücher