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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Universum durch seine endlosen Zyklen trieb. Zitternd warf er die Decke zurück, setzte sich auf und erhob sich dann. Heather wurde nicht wach.
    Draußen herrschte noch die Nacht, doch ein schwaches, graues Licht im Osten deutete die Heraufkunft eines neuen Tages an. Jack versuchte, seine Übelkeit zu unterdrücken und stand nur in der Unterwäsche da. Schlimmer noch als der Brechreiz war für ihn, daß er am ganzen Körper zitterte. Im Schlafzimmer war es warm. Die Kälte kam aus seinem Inneren. Dennoch ging er an den Kleiderschrank, zog Jeans von einem Bügel und schlüpfte hinein. Dann zog er ein Hemd an. Nun, da er wach war, verblaßte der explosive Schrecken allmählich, der ihn aus dem Schlaf gerissen hatte, doch Jack zitterte noch immer, spürte Angst - und war um Toby besorgt. Er verließ das Schlafzimmer, um nach seinem Sohn zu sehen. Falstaff war in dem oberen Korridor und starrte eindringlich durch die Türöffnung des Raums neben Tobys Zimmer, das Heather mit ihrem Computer belegt hatte. Ein seltsames, schwaches Licht fiel über die Schwelle und schimmerte auf dem Fell des Hundes. Er stand still wie eine Statue, wirkte irgendwie verkrampft. Er hielt den Kopf tief und wedelte nicht mit dem Schwanz. Als Jack näher kam, sah der Retriever ihn an und stieß ein gedämpftes, beunruhigtes Winseln aus. Aus dem Zimmer drang das leise Klicken einer Computertastatur. Schnelles Tippen. Stille. Dann wieder das explosive Klicken. In Heathers behelfsmäßigem Büro saß Toby vor einem der Computer. Das Leuchten des übergroßen Monitors war die einzige Lichtquelle in dem ehemaligen Schlafzimmer und viel heller als die Reflexion, die den Korridor erreichte; es badete den Jungen in sich schnell verändernde blaue, grüne und violette Farbtöne, dazwischen ein plötzlicher Spritzer Rot und Gelb, dann wieder Blau und Grün. Hinter dem Fenster blieb die Nacht undurchdringlich. Von dieser Seite des Hauses aus war noch nichts von der Dämmerung zu sehen. Ein Sperrfeuer aus kleinen Schneeflocken schlug gegen das Glas und wurde von dem Licht des Monitors kurz in blaue und grüne Ziermünzen verwandelt. Jack trat über die Schwelle.
    »Toby?« sagte er.
    Der Junge sah nicht von dem Bildschirm auf. Seine kleinen Hände flogen über die Tastatur und erzeugten das gedämpfte, wahnsinnig schnelle Klicken. Kein anderes Geräusch war zu vernehmen, auch nicht das übliche Piepsen oder Gurgeln des Computers. Konnte Toby tippen? Nein, eigentlich nicht mit dieser Leichtigkeit und Schnelligkeit. Auf den Augen des Jungen schimmerten verzerrte Abbilder des Displays vor ihm: violett, smaragdgrün, ein gelegentliches rotes Flackern.
    »He, Junge, was machst du da?«
    Er reagierte nicht auf die Frage. Gelb, golden, gelb, orange, golden, gelb - das Licht schimmerte nicht, als strahlte es von einem Computerbildschirm aus, sondern funkelte wie die Reflexion des Sonnenlichts, das im Hochsommer von der gekräuselten Oberfläche eines Teiches zurückgeworfen wurde. Es flitterte auf Tobys Gesicht. Gelb, orange, umbrabraun, bernsteinfarben, gelb...
    Am Fenster funkelten die fallenden Schneeflocken wie Goldstaub, glühende Funken, Leuchtkäfer. Als Jack durch das Zimmer ging, verspürte er Beklommenheit. Ihm war klar, daß die Normalität nicht zurückgekehrt war, als er aus dem Alptraum erwacht war. Der Hund folgte ihm auf leisen Sohlen. Gemeinsam gingen sie um das eine Ende der L-förmigen Arbeitsfläche und traten hinter Toby. Ein Tumult sich ständig ändernder Farben strömte von links nach rechts über den Computerbildschirm, verschmolz mit und durcheinander, verblich, wurde wieder stärker, war mal hell, dann dunkel, kräuselte sich und pulsierte, ein elektronisches Kaleidoskop, bei dem keins der sich unablässig verändernden Muster deutlich auszumachende Ränder hatte. Es war ein Farbmotiv. Dennoch hatte Jack so etwas noch nie gesehen. Er legte eine Hand auf die Schulter seines Sohnes. Toby erzitterte. Er sah nicht auf und sprach nicht, doch eine feine Veränderung in seiner Haltung verriet, daß er nicht mehr so ausschließlich von der Darstellung auf dem Monitor in den Bann geschlagen wurde wie gerade eben noch, als Jack ihm von der Schwelle aus eine Frage gestellt hatte. Seine Finger klapperten wieder über die Tastatur.
    »Was machst du da?« fragte Jack.
    »Ich unterhalte mich.«

NEUNZEHNTES KAPITEL
    Gelbe und rosa Ansammlungen, grüne Spiralflächen, purpurne und blaue, sich kräuselnde Bänder. Die Formen, Muster und Rhythmen der

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