Wintermond
drückte sie an ihre Brust.
»Toby«, sagte Jack, »gestern auf dem Friedhof warst du nicht dazwischen, wie jetzt.«
»Weg.«
»Ja, du warst ganz weg.«
»Weg.«
»Ich konnte dich nicht erreichen.«
»Scheiße«, sagte Heather wütend, und Jack sah nicht zu ihr hoch, weil er wußte, daß sie ihn anfunkelte. »Was ist gestern passiert, Jack? Warum hast du mir nichts erzählt, um Gottes willen? Warum hast du mir nichts davon erzählt?«
»Ich erzähle es dir ja«, sagte er, ohne sie anzusehen, »gleich, laß mich das nur noch zu Ende führen.«
»Was sonst hast du mir verschwiegen?« fragte sie. »Was in Gottes Namen passiert hier, Jack?«
»Als du gestern weg warst, Junge«, sagte er zu Toby, »wo warst du da?«
»Weg. «
»Aber wo? «
»Unter.«
»Unter? Unter was?«
»Unter ihm.«
»Unter...?«
»Kontrolliert.«
»Unter diesem Ding? Unter seinem Verstand?«
»Ja. An einem dunklen Ort.« Tobys Stimme bebte angesichts der Erinnerung vor Furcht. »Ein dunkler Ort, kalt, in einen dunklen Ort gequetscht, es tat weh.«
»Schalte den Computer aus, schalte ihn ausl« verlangte Heather. Jack sah zu ihr hoch. Ja, sie funkelte ihn an, war ganz rot im Gesicht und ebenso aufgebracht wie verängstigt.
»Wir können den Computer ausschalten«, sagte er und betete, daß sie Geduld haben würde, »aber wir können dieses Ding damit nicht ausschalten. Denk darüber nach, Heather. Es kann uns auf verschiedenen Wegen erreichen - durch Träume, durch das Fernsehgerät. Anscheinend sogar irgendwie, wenn wir wach sind. Toby war gestern wach, als es ihn geschnappt hat.«
»Ich ließ es herein«, sagte der Junge.
Jack zögerte, die Frage zu stellen, die vielleicht die heikelste von allen war. »Toby, hör zu...wenn es die Kontrolle über dich hat ... muß es dann tatsächlich in dir sein? Körperlich? Irgendwo ein Teil von dir?«
Etwas im Gehirn, das bei einer Autopsie zum Vorschein kam. Oder etwas, das am Rückgrat hing. Etwas, wonach zu suchen Eduardo den Tierarzt gebeten hatte.
»Nein«, sagte der Junge.
»Keine Saat kein Ei...keine Schnecke...es legt nichts in einem ab?«
Das war gut, sehr gut, Gott und allen Engeln sei gedankt, das war sehr gut. Denn wenn es irgend etwas in einem Menschen ablegen sollte, wie holte man es aus seinem Kind heraus, wie befreite man seinen Sohn davon, wie konnte man sein Gehirn öffnen und es herausreißen?
»Nur...Gedanken«, sagte Toby. »Nichts in einem, nur Gedanken.«
»Du meinst, es verfügt über eine telepathische Kontrolle?«
»Ja.«
Wie leicht einen plötzlich das Unmögliche einleuchten konnte! Telepathische Kontrolle. Etwas aus einer anderen Welt, feindselig und fremd, imstande, andere Spezies telepathisch zu beherrschen. Verrückt, direkt aus einem Science-Fiction-Roman, und doch kam es einem wirklich und wahr vor.
»Und jetzt will es wieder hinein?« fragte Heather ihren Sohn.
»Ja.«
»Aber du läßt es nicht herein?«
»Nein.«
»Du kannst es wirklich draußen halten?« sagte Jack.
»Ja.«
Es gab noch Hoffnung. Sie waren noch nicht erledigt.
»Warum hat es dich gestern verlassen?«
»Hab es gestoßen.«
»Du hast es rausgestoßen?«
»Ja. Rausgestoßen. Es haßt mich.«
»Weil du es rausgestoßen hast?«
»Ja«. Seine Stimme wurde zu einem Flüstern. »Aber es ist...es...es haßt...haßt alles.«
»Warum?«
»Weil...«, flüsterte der Junge, während scharlachrote und gelbe Farbtöne wie verrückt über sein Gesicht wirbelten und in seinen Augen blitzten. »Weil es so ist.«
»Es ist Haß?«
»Das macht es.«
»Aber warum?«
»Weil es so ist.«
»Warum?« wiederholte Jack geduldig.
»Weil es weiß.«
»Was weiß es?«
»Nichts spielt eine Rolle.«
»Es weiß... daß nichts eine Rolle spielt?«
»Ja.«
»Was bedeutet das?«
»Nichts spielt eine Rolle.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Jack völlig verwirrt von dem nur halb zusammenhängenden Wortwechsel.
Mit einem noch leiseren Flüstern: »Alles kann verstanden werden, aber nichts kann verstanden werden.«
»Ich will es verstehen.«
»Alles kann verstanden werden, aber nichts kann verstanden werden.«
Heathers Hände waren noch immer zu Fäusten geballt, doch nun drückte sie sie auf die Augen, als könne sie nicht mehr ertragen, ihren Sohn länger in dieser Halb Trance zu betrachten.
»Nichts kann verstanden werden«, murmelte Toby erneut.
»Aber es versteht uns«, sagte Jack verärgert.
»Nein.«
»Was verstellt es an uns nicht?«
»Vieles. Hauptsächlich...daß wir
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