Wintermond
Widerstand leisten.«
»Widerstand ?«
»Wir widerstehen ihm.«
»Und das ist neu für ihn?«
»Ja. War noch nie da.«
»Alles andere läßt es herein«, sagte Heather.
Toby nickte. »Nur Menschen nicht.«
Ein Sieg der menschlichen Rasse, dachte Jack. Guter alter Homo sapiens, stur bis zum letzten Augenblick. Wir sind einfach nicht so unbekürnmert, daß der Puppenspieler uns an den Fäden tanzen lassen kann, wie er will, zu nervös, zu verdammt starrköpfig, um Gefallen daran zu finden, Sklaven zu sein.
»Oh«, sagte Toby leise, eher zu sich selbst als zu ihnen oder der Wesenheit, die den Computer kontrollierte. »Ich verstehe.«
»Was verstehst du?« fragte Jack.
»Interressant.«
»Was ist interessant?«
»Das Wie.«
Jack sah Heather an, aber sie schien das rätselhafte Gespräch nicht besser zu verstehen, als es bei ihm der Fall war.
»Es spürt«, sagte Toby.
»Toby?«
»Sprechen wir nicht davon«, sagte der Junge und sah kurz von dem Bildschirm auf, um Jack einen flehenden oder warnenden Blick zuzuwerfen.
»Wovon sprechen?«
»Schon gut«, sagte Toby und sah wieder auf den Bildschirm.
»Was ist schon gut?«
»Ich bin lieber brav. Hier, hör zu, es will etwas wissen.«
Dann, mit einer Stimme, die so erstickt war wie ein Nieser in einem Taschentuch und Jack zwang, sich tiefer zu ihm hinabzu beugen, wechselte Toby das Thema. »Was haben sie da unten gemacht?«
»Auf dem Friedhof, meinst du?« fragte Jack.
»Ja.«
»Das weißt du doch.«
»Aber es weiß es nicht. Es will es wissen.«
»Es versteht den Tod nicht«, sagte Jack.
»Nein.«
»Wie ist das möglich?«
»Leben ist«, sagte der Junge und gab nun eindeutig eine Auffassung des Geschöpfs wieder, mit dem er in Kontakt stand.
»Keine Bedeutung. Kein Anfang. Kein Ende. Nichts spielt eine Rolle. Es ist.«
»Das ist doch bestimmt nicht die erste Welt, die es gefunden hat, auf der Lebewesen sterben«, sagte Heather. Toby begann zu zittern, und seine Stimme wurde lauter, aber nur ein wenig. »Sie widerstehen auch, die unter der Erde. Es kann sie benutzen, aber es kann sie nicht erkennen.«
Es kann sie benutzen, aber es kann sie nicht erkennen. Ein paar Teile des Puzzles paßten plötzlich zusammen. Sie enthüllten nur einen winzigen Aspekt der Wahrheit. Einen monströsen, unerträglichen Aspekt der Wahrheit. Jack kniete in benommenem Schweigen neben dem Jungen.
»Sie benutzen ? « fragte er schließlich leise.
»Aber es kann sie nicht erkennen.«
»Wie benutzt es sie?«
»Puppen.«
Heather stöhnte auf. »Der Geruch. Großer Gott. Der Geruch auf der hinteren Treppe.«
Obwohl Jack nicht genau wußte, wovon sie sprach, war ihm klar, daß sie begriffen hatte, was dort draußen auf der Quartermass-Ranch war. Nicht nur dieses Ding aus dem Jenseits, dieses Ding, das ihnen beiden denselben Traum schicken konnte, dieses unergründlich fremde Ding, dessen Daseinszweck es war, zu werden und zu hassen. Da draußen waren noch andere Dinge.
»Aber man kann sie nicht kennen«, flüsterte Toby. »Nicht einmal so wenig, wie es uns kennen kann. Es kann sie besser benutzen. Besser, als es uns benutzen kann. Aber es will sie kennen. Zu ihnen werden. Und sie leisten Widerstand.«
Jack hatte genug gehört. Viel zuviel. Erschüttert erhob er sich. Er schaltete das Gerät aus, und der Bildschirm wurde dunkel.
»Es wird uns holen«, sagte Toby, und dann erwachte er langsam aus seiner Halbtrance.
Ein bitterkalter Sturm kreischte am Fenster hinter ihnen, doch selbst, wenn er ins Zimmer hätte eindringen können, hätte Jack nicht noch mehr frieren können, als er es jetzt schon tat. Toby drehte sich mit dem Bürostuhl und sah zuerst seine Mutter, dann seinen Vater verwirrt an. Der Hund kam aus der Ecke. Obwohl niemand den Hauptschalter des Computers berührte, sprang dieser von der AUS- in die EIN-Position. Alle zuckten überrascht zusammen, sogar der Hund. Über den Bildschirm strömten abscheuliche, zuckende Farben. Heather bückte sich, griff nach dem Stecker und zog ihn aus der Steckdose. Der Monitor wurde wieder dunkel und blieb es auch.
»Es hört nicht auf«, sagte Toby und stand auf.
Jack drehte sich zum Fenster um und sah, daß die Dämmerung angebrochen war, trüb und grau, und eine Landschaft enthüllte, die von einem gewaltigen Blizzard heimgesucht wurde. In den letzten zwölf Stunden waren dreißig bis vierzig Zentimeter Schnee gefallen; an manchen Stellen hatte der Wind ihn zu doppelter Höhe aufgeweht. Entweder war der erste
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