Wintermond
zurück und starrte hinaus. Jack blätterte die Seiten durch, die er noch nicht gelesen hatte, fand eine Passage über den Durchgang und las sie laut vor. Sie stand auf der Kante, wie eine riesige Münze aus Dunkelheit. So dünn wie ein Blatt Papier. Groß genug, daß ein Zug hätte hindurchfahren können. Schwärze von außergewöhnlicher Reinheit. Eduardo hatte es gewagt, die Hand hineinzustecken. Er hatte gespürt, daß etwas aus dieser fürchterlichen Finsternis gekommen war. Jack schob den Notizblock zur Seite und stand auf. »Das reicht für den Augenblick«, sagte er. »Den Rest können wir später lesen. Eduardos Bericht bestätigt unsere Erfahrungen. Das ist wichtig. Ihn hätten sie vielleicht als verrückten alten Einsiedler abgetan und uns als exzentrische Stadtmenschen, die hier in diesem weiten Land einen schlimmen Rappel gekriegt haben, aber es ist nicht so einfach, uns alle als Spinner abzutun.«
»Wen rufen wir also an?« fragte Heather. »Den hiesigen Sheriff?«
»Zuerst Paul Youngblood, dann Travis Potter. Sie ahnen schon, daß hier draußen etwas nicht stimmt - aber bei Gott, keiner von ihnen wird vermuten, daß es so schlimm ist. Wenn uns ein paar Einheimische zur Seite stehen, nehmen die Deputies des Sheriffs uns vielleicht ernster.«
Jack nahm das Schrotgewehr finit, als er zum Telefon an der Wand ging. Er nahm den Hörer ab, lauschte, drückte ein paarmal auf die Gabel, tippte ein paar Ziffern ein und legte dann auf. »Die Leitung ist tot.«
Heather hatte schon etwas in der Art vermutet, als er zum Telefon gegangen war. Nach denn Zwischenfall mit dem Computer war ihr klar geworden, daß es nicht leicht werden würde, Hilfe zu holen, wenngleich sie nicht an die Möglichkeit hatte denken wollen, daß sie hier in der Falle saßen.
»Vielleicht hat der Sturm die Leitungen beschädigt«, sagte Jack.
»Hängen die Telefonleitungen nicht an denselben Masten wie die Stromkabel?«
»Ja, und Strom haben wir, also war es nicht der Sturm.« Er nahm die Schlüssel des Explorers und von Eduardos Cherokee vom Brett. »Na schön, verschwinden wir von hier. Wir fahren zu Paul und Carolyn hinüber und rufen Travis von dort aus an.«
Heather steckte den gelben Notizblock vor dem Bauch in den Hosenbund und zog die Skijacke darüber zu. Sie nahm die Mikro Uzi und den .38er Korth von der Arbeitsfläche und hielt nun in jeder Hand eine Waffe.
Als Toby von seinem Stuhl aufstand, schoß Falstaff unter dem Tisch hervor und lief direkt zur Verbindungstür zwischen Küche und Garage. Der Hund schien zu verstehen, daß sie das Haus verlassen wollten, und war mit ihrer Entscheidung mehr als nur einverstanden. Jack schoß die Tür auf, öffnete sie schnell, aber vorsichtig, und trat mit der schußbereiten Schrotflinte in der Hand über die Schwelle, als rechne er damit, daß ihr Feind sich in der Garage befinde. Er druckte den Lichtschalter herunter, sah nach links und rechts und sagte dann: »Alles klar.«
Toby folgte seinem Vater, Falstaff an seiner Seite. Heather ging als letzte und warf noch einen Blick zum Fenster. Schnee. Nichts als kalte Schneemassen. Selbst mit eingeschaltetem Licht war es in der Garage nicht richtig hell. Und es war so kalt wie in einem Gefrierraum. Das große Garagentor klapperte im Wind, aber Heather drückte nicht auf den Knopf, um es hochfahren zu lassen; es war sicherer, wenn sie es mit der Fernbedienung öffneten, sobald sie in dem Explorer saßen. Sie erinnerte sich der düster und nur kurz wahrgenommenen Präsenz auf der anderen Seite der Schwelle, als sie Freitag nacht in ihrem Traum die Tür einen Spaltbreit geöffnet hatte. Funkelnd und dunkel. Sich krümmend und schnell. Eine festumrissene Gestalt hatte sie nicht ausmachen können, wenngleich sie etwas Großes mit entfernt schlangenähnlichen Windungen gesehen hatte. Aber sie konnte sich deutlich an das kalte, triumphierende Zischen erinnern, das sie gehört hatte, bevor sie die Tür zugeschlagen hatte und aus dem Alptraum erwacht war. Aber nichts glitt unter einem der Fahrzeuge hervor und griff nach ihr, und sie nahm unbeschadet auf dem Beifahrersitz des Explorers Platz und legte die schwere Uzi auf den Boden zwischen ihre Füße. Den Revolver hielt sie weiterhin in der Hand.
»Vielleicht ist der Schnee zu hoch«, sagte sie, als Jack sich durch die Fahrertür beugte und ihr die Schrotflinte gab. Sie klemmte sie zwischen den Knien ein, den Griff auf dem Boden, die Mündung auf den Himmel des Wagens gerichtet. »Der Sturm ist
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