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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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schaute zwischen halb zugenähten Lidern hervor. Die Luft roch nach Benzin. Heather hatte Schwierigkeiten, tief durchzuatmen; sie keuchte. Dem Geber schien es nichts auszumachen, und die Leiche atmete nicht. Zu viele Taschen, mein Gott, vier außen auf der Jacke, drei innen, Taschen und noch mehr Taschen, zwei auf jedem Hosenbein, und alle mit zugezogenen Reißverschlüssen. Die andere Augenhöhle war leer und wurde teilweise von dem zerfetzten Lid und den hinabbaumelnden Fäden des Leichenbeschauers bedeckt. Plötzlich schoß die Spitze eines Tentakels aus dem Schädelinneren hervor. Mit heftigen Bewegungen der Anhängsel - es sah aus, als würden die Ranken einer schwarzen Seeanemone von einer heftigen Strömung gepeitscht - trat das Ding die nächste Stufe herauf. Streichhölzer.
    Eine kleine Schachtel, darin Streichhölzer. Sie hatte sie gefunden. Der Geber trat auf die zweite Stufe und zischte leise. Heather schob die Schachtel auf und hätte ihren Inhalt fast verschüttet. Sie schlugen gegeneinander und gegen den Karton. Das Ding stieg die nächste Stufe herauf. Als seine Mutter ihm sagte, er solle ins Schlafzimmer gehen, wußte Toby nicht, ob sie das ihre oder das seine meinte. Er wollte so weit wie möglich weg von dem Ding, das die vordere Treppe heraufstieg, und so lief er zu seinem Zimmer am Ende des Ganges, wenngleich er dabei mehrmals stehenblieb, zu ihr zurückschaute und fast zurückgelaufen wäre. Er wollte sie dort nicht allein lassen. Sie war seine Mom. Er hatte nicht alles vom Geber gesehen, nur das Gewirr der Tentakel, das sich um den Rahmen der Haustür gewunden hatte, doch ihm war klar, daß sie damit nicht fertigwerden konnte. Auch er würde nicht damit fertig werden, und so durfte er nicht einmal daran denken, etwas zu unternehmen. Er wußte, was er zu tun hatte, doch er hatte zu viel Angst, um es zu tun, was aber nicht schlimm war, weil selbst Helden Angst hatten, weil nur Verrückte nie Angst hatten. Und in diesem Augenblick wußte er genau, daß er nicht verrückt war, nicht einmal ein klein bißchen, denn er hatte eine fürchterliche Angst, solche Angst, daß er glaubte, er würde sich gleich in die Hosen machen. Dieses Ding war wie der Terminator und der Predator und der Außerirdische aus Alien und der Hai aus Der weiße Hai und die Velociraptoren aus Jurassic Park und ein Haufen anderer Ungeheuer zusammen - und er, Toby, war nur ein Junge. Vielleicht war er doch auch ein Held, wie sein Dad es gesagt hatte, obwohl er sich gar nicht wie einer vorkam, nicht die Bohne; aber falls er ein Held war, konnte er nicht tun, was er eigentlich tun mußte. Er erreichte das Ende des Korridors, an dem Falstaff zitternd und jaulend wartete.
    »Komm schon, Junge«, sagte Toby.
    Er lief an dem Hund vorbei in sein Zimmer, wo die Lampen schon brannten, weil er und Mom so ziemlich jede Lampe im Haus eingeschaltet hatten, bevor Dad gegangen war, obwohl draußen hellichter Tag war.
    »Komm vom Korridor weg, Falstaff. Mom will nicht, daß wir auf dem Gang warten. Komm schon!«
    Als er sich von dem Hund abwandte, fiel ihm sofort auf, daß die Tür zur Hintertreppe offenstand. Sie hätte eigentlich verschlossen sein müssen. Sie hatten aus dem Haus eine Festung gemacht. Dad hatte die Tür unten vernagelt, aber die hier hätte auch verschlossen sein müssen. Toby lief zu ihr, drückte sie zu, schob den Riegel vor und fühlte sich schon gleich besser. Falstaff war noch immer auf dem Gang, hatte das Zimmer noch immer nicht betreten. Aber er jaulte nicht mehr. Er knurrte.
    Jack stand am Ausgang der Ranch. Er legte nur eine kurze Pause ein, um sich vom ersten und mühsamsten Stück des Weges zu erholen. Statt in Form von weichen Flocken fiel der Schnee nun in Kristallen mit scharfen Rändern, die fast an Salzkörner erinnerten. Der Wind trieb sie so stark an, daß sie auf Jacks Stirn brannten. Der Räumwagen war schon mindestens einmal hier vorbeigekommen, denn eine über einen Meter hohe Schneewand blockierte das Ende der Auffahrt. Er kletterte über sie hinweg auf die Straße.
    Eine Flamme flackerte am Streichholzkopf auf. Einen Augenblick lang rechnete Heather damit, daß die Dämpfe explodierten, doch sie hatten sich anscheinend noch nicht genügend zusammengezogen, um bereits brennbar zu sein. Der Parasit und sein toter Gastkörper stiegen eine weitere Stufe herauf- Anscheinend bemerkten sie die Gefahr nicht - oder waren überzeugt, daß gar keine vorhanden war. Heather trat zurück, vom verschütteten Benzin

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