Wintermond
freundlichen Lächeln auf den Gesichtern, und wie die kleinen Beschützer von Schneewittchen ein fröhliches kleines Liedchen singend: »Jupp-heidi, Juppheida, der Schnee, der ist zum Pflügen da!«
So unmöglich es auch erschien, das Geschöpf auf der Treppe wirkte in der obskuren Umarmung des Feuers noch grotesker und erschrekkender als gerade eben, als sie es noch deutlich hatte ausmachen können. Rauch sickerte aus ihm heraus. Und doch stieg es die nächste Stufe hinauf. Völlig stumm. Und dann noch eine. Es kam mit der Erhabenheit Seiner Satanischen Majestät, die einen Tagesausflug aus der Hölle unternahm, aus den Flammen herauf. Das Monstrum brannte, oder zumindest der Teil von ihm, der Eduardo Fernandez war, wurde von den Flammen verzehrt, und doch stieg das dämonische Ding noch eine Stufe hinauf. Es war jetzt fast oben. Heather konnte nicht mehr länger zögern. Die Hitze war unerträglich. Sie hatte ihr das Gesicht bereits zu lange ausgesetzt und wahrscheinlich ein paar leichte Verbrennungen davongetragen. Das hungrige Feuer leckte an dem Verputz und fraß sich die Dielendecke entlang, und ihre Lage wurde immer gefährlicher. Außerdem brach der Geber nicht zusammen und stürzte in den Glutofen zurück, wie sie es gehofft hatte. Er würde das Obergeschoß erreichen, die Arme ausbreiten, die vielen feurigen Arme, und versuchen, sie zu umschlingen und eins mit ihr zu werden. Mit heftig hämmerndem Herzen lief Heather ein paar Schritte durch den Korridor zum roten Benzinkanister. Sie hob ihn mit einer Hand hoch. Er war wesentlich leichter geworden. Sie mußte zwölf oder fünfzehn der zwanzig Liter ausgeschüttet haben. Sie warf einen Blick zurück. Ihr Verfolger trat von der Treppenbrüstung in den Gang. Sowohl der Leichnam als auch der Geber standen in Flammen. Es handelte sich bei ihnen nicht nur um schwelende, verkohlte Organismen, sondern um eine blendende, ungestüme Flammensäule, als bestünden ihre ineinander verschlungenen Körper aus trockenem Zunder. Einige der längeren Tentakel rollten sich zusammen und entfalteten sich dann wieder wie Peitschen oder schleuderten Feuerbäche und -klumpen hinaus, die gegen die Wände und den Boden spritzten und den Teppich und die Tapeten in Brand setzten. Als Toby noch einen Schritt zu dem verhangenen Alkoven machte, stürmte Falstaff endlich in das Zimmer. Der Hund lief ihm in den Weg, bellte ihn an und versuchte, ihn zurückzudrängen. Etwas bewegte sich auf dem Bett hinter den Vorhängen, streifte an ihnen entlang, und jede einzelne der nächsten paar Sekunden kam Toby wie eine Stunde vor, als wäre er in eine Super-Zeitlupe gestürzt. Die Bettnische war wie die Bühne eines Puppentheaters unmittelbar vor der Vorstellung, doch dort warteten nicht Kasperle und Gretel auf ihn, oder Robertus von Petzingen, oder einer der Muppets, nichts, was man je in der Sesamstraße sehen würde, und es war auch kein lustiges Programm, bei dieser unheimlichen Vorstellung gab es keine Lacher. Er wollte die Augen schließen und es einfach vertreiben. Wenn man einfach nicht daran glaubte, würde das Ding vielleicht verschwinden. Es bewegte sich wieder hinter den Vorhängen, drückte sich gegen sie, als wolle es Hallo, liebe Kinder! sagen. Vielleicht war es so wie mit dem Osterhasen; wenn er weiterleben sollte, mußte man an ihn glauben. Wenn Toby also die Augen schloß und ganz stark an ein leeres Bett dachte, an Luft, die nach frisch gebackenen Keksen roch, dann würde das Ding einfach nicht mehr da sein, und der Gestank auch nicht. Es war kein perfekter Plan, vielleicht war es sogar ein dummer Plan, aber zumindest würde er dann etwas tun. Und er mußte etwas tun, oder er würde verrückt werden, aber er konnte einfach keinen einzigen Schritt in Richtung Bett machen, auch wenn der Retriever sich nicht vor ihm aufgebaut hätte, weil er einfach zu viel Angst hatte. Toby war wie gelähmt. Dad hatte nichts davon gesagt, daß Helden manchmal wie gelähmt waren. Oder sich übergeben mußten. Übergaben Helden sich manchmal? Denn er hatte das Gefühl, daß er gleich brechen mußte. Er konnte auch nicht davonlaufen, denn dann hätte er dem Bett den Rücken zuwenden müssen. Das wollte er nicht, das konnte er nicht. Was also bedeutete, daß der einzige und beste Plan, den er hatte, darin bestand, die Augen zu schließen und das Ding einfach wegzuwünschen - einmal abgesehen davon, daß er nicht in einer Million Jahren die Augen geschlossen hätte. Falstaff blieb zwischen Toby und dem
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