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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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begehen, die viel schlimmer als Mord war, daß es eine unmenschliche Absicht und eine unbekannte Verwendung für ihn hatte, die so seltsam war, daß sie sowohl sein Begriffs- als auch sein Vorstellungsvermögen überstieg. Diesmal wurde er von einem so schwarzen und grundlegenden, so rücksichtslosen Entsetzen erfaßt, daß ihn der Mut verließ. Er lief zum Haus, das viel weiter als bloß hundert Meter entfernt zu sein schien, eine Zitadelle außerhalb seiner Reichweite. Er stapfte durch den flachen Schnee, trat in tiefere Verwehungen, lief und stolperte und torkelte und schwankte bergauf, wobei er wortlose Geräusche blinder Panik von sich gab - »Ah, ah, ahhhhh, ah, ah«. Sein Verstand wurde völlig durch den Instinkt unterdrückt, bis er sich schließlich auf der Verandatreppe wiederfand, die er hinaufstieg, um sich dann auf der letzten Stufe umzudrehen und endlich »Nein!« in den klaren, frischen, blauen Tag über Montana zu schreien. Die jungfräuliche Schneedecke über dem breiten Feld war nur von seinen eigenen Spuren zum Wald und wieder zurück aufgewühlt worden. Er ging ins Haus. Er verriegelte die Tür. In der großen Küche stand er lange vor dem steinernen Kamin, noch immer für einen Ausflug ins Freie gekleidet, und badete in der Hitze des Feuers - ohne daß ihm allerdings warm dabei wurde. Alt. Er war ein alter Mann. Siebzig. Ein alter Mann, der zu lange allein gelebt hatte und seine Frau schmerzlich vermißte. Wer würde es schon merken, wenn die Senilität sich nun an ihn heranmachte? Ein alter, einsamer Mann mit einem Hüttenkoller, der sich nur etwas einbildete. 
    »Quatsch«, sagte er nach einer Weile. Er war einsam, allerdings, aber nicht senil. Nachdem er Hut, Jacke, Handschuhe und Stiefel abgelegt hatte, holte er die Jagd- und Schrotgewehre aus dem verschlossenen Schrank im Arbeitszimmer. Er lud sie alle durch.

FÜNFTES KAPITEL
    Mae Hong, die gegenüber wohnte, kam herüber, um sich um Toby zu kümmern. Ihr Mann war ebenfalls ein Cop, wenn auch nicht in der gleichen Abteilung wie Jack. Da die Hongs noch keine Kinder hatten, konnte Mae so lange bleiben wie nötig, falls Heather für eine längere Nachtwache ins Krankenhaus mußte. Während Louie Silverman und Mae in der Küche blieben, stellte Heather den Ton des Fernsehgeräts leiser und erklärte Toby, was passiert war. Sie hockte sich auf das Fußbänkchen, und nachdem er die Decken beiseite geworfen hatte, kauerte er sich auf den Sesselrand. Sie hielt seine kleinen Hände in den ihren. Die schlimmsten Einzelheiten teilte Heather ihrem Sohn nicht mit, einerseits, weil sie selbst sie noch nicht genau kannte, andererseits, weil ein Achtjähriger nicht so einfach damit fertig werden würde. Allerdings konnte sie die Lage auch nicht beschönigen, denn sie waren eine Polizistenfamilie. Sie lebten mit der unterdrückten Erwartung, daß jederzeit so etwas passieren konnte, was an diesem Morgen passiert war, und selbst ein Kind hatte das Bedürfnis und das Recht zu erfahren, daß sein Vater schwer verletzt worden war.
    »Kann ich mit dir ins Krankenhaus fahren?« fragte Toby und drückte ihre Hände fester, als er es wahrscheinlich merkte.
    »Es ist am besten, wenn du hierbleibst, Schatz.«
    »Ich bin nicht mehr krank.«
    »Doch, bist du.«
    »Ich fühle mich gut.«
    »Du willst deinen Dad doch nicht anstecken, oder?«
    »Er wird doch wieder gesund?«
    Sie konnte ihm nur eine Antwort geben, auch wenn sie nicht genau wußte, ob sie sich als richtig erweisen würde. »Ja, Schätzchen, er wird wieder gesund.«
    Sein Blick war direkt. Er wollte die Wahrheit wissen. In diesem Augenblick kam er ihr viel älter vor als seine acht Jahre. Vielleicht wurden Kinder von Polizisten schneller erwachsen als andere, schneller, als es eigentlich der Fall sein sollte.
    »Bist du sicher?« fragte er.
    »Ja. Da bin ich mir sicher.«
    »W-wo wurde er angeschossen?«
    »Ins Bein.«
    Keine Lüge. Er hatte auch einen Treffer ins Bein abbekommen. Eine Kugel ins Bein und zwei in den Oberkörper, hatte Crawford gesagt. Zwei Kugeln in den Oberkörper. Mein Gott. Was hatte das zu bedeuten? Mußten sie einen Lungenflügel entfernen? Eine Kugel in den Bauch? Ins Herz? Zumindest hatte er keine Kopfverletzungen erlitten. Tommy Fernandez war in den Kopf geschossen worden. Er hatte keine Chance gehabt. Sie fühlte, daß ein gequältes Schluchzen in ihr emporstieg, und wollte es unbedingt unterdrücken, wagte nicht, sich gehen zu lassen, nicht vor Toby.
    »Ins Bein, das ist ja nicht

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