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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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volle Länge untersucht?«
    »Ja, das habe ich.«
    »Haben sie etwas gefunden, daß daran...daran befestigt war?«
    »Befestigt?« fragte Potter.
    »Ja.«
    »Was meinen Sie mit >befestigt    »Es hat vielleicht...wie ein Tumor ausgesehen.«
    »Wie ein Tumor ausgesehen?«
    »Sagen wir einfach, es war ein Tumor...etwas in der Art?«
    »Nein. Nichts dergleichen. Überhaupt nichts.«
    Eduardo nahm den Hörer vom Mund und trank einen Schluck Bier. Als er den Hörer wieder ans Ohr drückte, hörte er, wie Travis Potter sagte: »...etwas wissen, was Sie mir nicht gesagt haben?«
    »Nicht, das ich wüßte«, log Eduardo.
    Diesmal schwieg der Tierarzt. Vielleicht trank auch er ein Bier. Dann:
    »Rufen sie mich an, wenn Sie auf weitere solcher Tiere stoßen?«
    »Ja.«
    »Nicht nur Waschbären.«
    »Sicher.«
    »Ganz gleich, was für Tiere es sind.«
    »Klar.«
    »Fassen Sie sie nicht an«, sagte Potter.
    »Werde ich nicht.«
    »Ich will sie an Ort und Stelle sehen, dort, wo sie gestorben sind.«
    »Wie Sie meinen.«
    »Nun ja...«
    »Auf Wiederhören, Herr Doktor.«
    Eduardo legte auf und ging zur Spüle. Er sah aus dem Fenster, hinauf zum Waldrand über dem Hinterhof, westlich vom Haus. Er fragte sich, wie lange er noch warten mußte. Er war das Warten kotzleid. »Komm schon«, sagte er leise zu dem verborgenen Beobachter im Wald. Er war bereit. Bereit für die Hölle oder den Himmel oder das ewige Nichts, was auch immer kommen würde. Er hatte keine Angst vor dem Sterben. Ihm machte nur angst, wie er sterben würde. Was er vielleicht ertragen mußte. Was man ihm in den letzten Minuten oder Stunden seines Lebens antun würde. Was er vielleicht sehen würde.
    Am Morgen des einundzwanzigsten Juni nahm Eduardo gerade das Frühstück ein und hörte sich im Radio die Weltnachrichten an, als er aufschaute und durch das Fenster in der nördlichen Mauer der Küche ein Eichhörnchen sah. Es hockte ganz still auf der Fensterbank und betrachtete ihn eindringlich durch das Glas. Genau, wie es zuvor bei den Waschbären der Fall gewesen war. Er beobachtete das Tier eine Zeitlang und konzentrierte sich dann wieder auf sein Frühstück. Er sah mehrmals auf, doch das Eichhörnchen harrte auf seinem Posten aus. Nachdem er den Abwasch erledigt hatte, ging der alte Mann zum Fenster, bückte sich und betrachtete das Tier aus nächster Nähe. Nur die Glasscheibe war zwischen ihnen. Das Eichhörnchen schien von der genauen Prüfung nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Eduardo schlug direkt vor seinem Gesicht mit dem Fingernagel gegen das Glas. Das Eichhörnchen zuckte nicht einmal. Er erhob sich, schob den Riegel zurück und stemmte die untere Hälfte des Doppelfensters hoch. Das Eichhörnchen sprang von der Fensterbank und floh auf den Hof, wo es sich umwandte und ihn erneut eindringlich betrachtete. Er schloß und verriegelte das Fenster, trat hinaus und setzte sich auf die Veranda. Zwei Eichhörnchen warteten dort schon im Gras auf ihn. Als Eduardo in dem Schaukelstuhl Platz nahm, blieb eins der kleinen Tiere im Gras hocken, doch das andere huschte auf die oberste Verandastufe und beobachtete ihn von dort aus. Als er in dieser Nacht in seinem verbarrikadierten Zimmer im Bett lag und Schlaf suchte, hörte er, daß die Eichhörnchen über das Dach hüpften. Kleine Krallen kratzten an den Schindeln. Als er schließlich einschlief, träumte er von Nagetieren. Am folgenden Tag, dem zweiundzwanzigsten Juni, blieben die Eichhörnchen bei ihm. Auf den Fensterbänken. Im Hof. Auf den Veranden. Als er einen Spaziergang unternahm, folgten sie ihm in einigem Abstand. Am dreiundzwanzigsten Juni war es nicht anders, doch am Morgen des vierundzwanzigsten fand Eduardo Fernandez auf der hinteren Veranda ein totes Eichhörnchen. Blutklumpen in den Ohren. Getrocknetes Blut in den Nasenöffnungen. Aus den Höhlen quellende Augen. Er fand zwei weitere Tiere auf dem Hof und ein viertes auf der Treppe der vorderen Veranda, alle im gleichen Zustand. Sie hatten die Kontrolle länger als die Waschbären überlebt.
    Anscheinend lernte der Reisende. Eduardo zog in Betracht, Dr. Potter anzurufen. Statt dessen sammelte er die vier Kadaver ein und trug sie auf die Wiese links vom Haus. Dort legte er sie ins Gras, wo Aasfresser sie finden und beseitigen würden.
    Er dachte auch an das Kind in seiner Phantasie auf der fernen Ranch, das vielleicht die Scheinwerfer des Cherokee beobachtet hatte, als er vor zwei Wochen von dem Tierarzt zurückgefahren war. Er sagte sich, er

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