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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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beendete. Eine erfrischende Brise glitt über die in der Dämmerung liegenden Wiesen. Bevor Eduardo den letzten Bissen verzehrt hatte, kehrte die Krähe zurück. Der Vogel blieb vor dem geöffneten Fenster hocken, während Eduardo das Geschirr spülte, abtrocknete und wegräumte. Mit seinen leuchtend schwarzen Augen verfolgte das Tier jede Bewegung des alten Mannes. Er holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und kehrte an den Tisch zurück. Er setzte sich auf einen anderen Stuhl, näher zu der Krähe. Nur eine Armeslänge trennte sie voneinander.
    »Was willst du?« fragte er, überrascht, daß er sich nicht töricht vorkam, mit einem verdammten Vogel zu sprechen. Aber natürlich sprach er nicht mit dem Vogel. Er sprach das Wesen an, das dieses Tier beherrschte. Den Reisenden.
    »Willst du mich nur beobachten?« fragte er.
    Der Vogel starrte ihn an.
    »Möchtest du gern mit mir kommunizieren?«
    Der Vogel hob eine Schwinge, steckte den Kopf darunter und pickte nach seinen Federn, als würde er Läuse herauszupfen. Eduardo trank noch einen Schluck Bier. »Oder möchtest du mich gern beherrschen«, sagte er dann, »wie du es mit diesen Tieren machst?«
    Die Krähe hüpfte von einem Fuß auf den anderen, schüttelte sich und verlagerte den Kopf, um den Rancher mit einem Auge zu betrachten.
    »Du kannst dich so lange wie ein verdammter Vogel benehmen, wie du willst, aber ich weiß, daß du keiner bist, jedenfalls nicht nur ein Vogel.«
    Die Krähe verharrte wieder regungslos. Hinter dem Fenster hatte die Dämmerung sich der Nacht ergeben.
    »Kannst du mich kontrollieren? Vielleicht bist du auf einfachere Geschöpfe beschränkt, auf nicht so komplizierte neurologische Systeme.«
    Die schwarzen Augen funkelten. Der scharfe gelbe Schnabel öffnete sich leicht. »Oder vielleicht willst du etwas über die hiesige Ökologie lernen, die Flora und Fauna, willst herausfinden, wie es hier so läuft,
    deine Fähigkeiten feinschleifen. Hmm? Vielleicht arbeitest du dich zu mir hinauf. Ist es das?«
    Der Vogel beobachtete ihn.
    »Ich weiß, daß nichts von dir in dem Vogel ist, nichts Körperliches jedenfalls. Genauso, wie du nicht in den Waschbären warst. Das hat die Autopsie ergeben. Ich habe angenommen, du müßtest etwas von dir in ein Tier eingeben, um es kontrollieren zu können, etwas Elektronisches, keine Ahnung, vielleicht sogar etwas Biologisches. Ich dachte, vielleicht gibt es eine Menge von euch im Wald, ein Schwarm, ein Nest, und vielleicht muß einer von euch tatsächlich in ein Tier eindringen, um es zu beherrschen. Ich habe halb damit gerechnet, daß Potter irgendeine komische Schnecke in dem Gehirn des Waschbären findet, einen verdammten Tausendfüßler, der sich an sein Rückgrat klammert. Ein Samenkorn, eine unheimlich aussehende Spinne, irgend etwas. Aber so läuft das bei dir nicht, was?« Er trank einen Schluck von dem Bier.
    »Ah. Schmeckt gut.«
    Er hielt der Krähe das Bier hin. Sie sah ihn über den Hals der Flasche an.
    »Antialkoholiker, was? Ich erfahre immer mehr über dich. Wir sind ein neugieriger Haufen, wir Menschen. Wir lernen schnell und können umsetzen, was wir in Erfahrung gebracht haben, nehmen gern Herausforderungen an. Bereitet dir das nicht ein wenig Kopfzerbrechen?« Die Krähe hob ihre Schwanzfeder und machte einen kleinen Satz. »War das ein Kommentar«, fragte Eduardo sich, »oder gehörte das nur zu einer guten Vogelimitation?«
    Der scharfe Schnabel öffnete und schloß sich, öffnete und schloß sich, doch der Vogel gab keinen Laut von sich.
    »Irgendwie kontrollierst du diese Tiere aus der Ferne. Telepathie oder so? Aus einer ganz beträchtlichen Entfernung, zumindest bei diesem Vogel. Fünfundzwanzig Kilometer sind es bis nach Eagle's Roost. Na ja, für eine Krähe vielleicht zwanzig Kilometer Luftlinie,
    verstehst du?«
    Wenn der Reisende mitbekommen hatte, daß Eduardo einen schwachen Witz versucht hatte, ließ er es durch den Vogel jedenfalls nicht verlauten.
    »Ziemlich clever, ob es nun Telepathie oder etwas anderes ist. Aber es fordert dem Unterworfenen verdammt viel ab, nicht wahr? Du wirst aber besser und lernst allmählich, welchen Beschränkungen die örtliche Sklavenpopulation unterworfen ist.«
    Die Krähe pickte wieder nach Läusen.
    »Hast du schon den Versuch unternommen, mich zu kontrollieren?
    Denn falls ja, habe ich nichts davon mitbekommen. Ich habe nicht gespürt, daß etwas in meinem Verstand herumstochert, habe keine fremden Bilder hinter meinen Augen

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