Wintermond (German Edition)
nur bestätigen. Außerdem war Jo tatsächlich jemand, für den die Arbeit sehr wichtig war und vielleicht sogar über allem anderen stand. Was der Architekt an Ben mochte, war vor allem dessen Engagement und Disziplin. Aus genau diesem Grund förderte er ihn vermutlich in einer derart väterlichen Art und Weise. Wenn Jo sich in Hinsicht auf seine Frau ähnlich distanziert verhalten hatte wie gegenüber seinem Sohn, würde es Sinn machen, dass diese irgendwann verzweifelt einen Ausweg gesucht hatte. Vielleicht war ihr Selbstmord auch nur ein Hilfeschrei gewesen oder eine Aufforderung an Jo, endlich aufzuwachen.
Ben seufzte und wollte diesen Gedankenzug gerade weiter ausführen, als es plötzlich an der Tür klopfte. Er zuckte zusammen und wandte sich erschrocken um.
„Ja?“, sagte er bestimmt und war gespannt, wer ihn aufsuchte.
Die Tür öffnete sich und vor ihr fand sich Jo wieder und spähte in das Zimmer. Er benahm sich recht zurückhaltend, fast schüchtern. Ben zog seine Augenbrauen skeptisch zusammen, bevor er sich schüttelte und einen unbedeutenden Gesichtsausdruck aufsetzte.
„Ach, Jo, ... du bist es“, begrüßte er Alex’ Vater und konnte nicht verhindern, dass er ein wenig enttäuscht klang. Er versuchte dieses Gefühl allerdings zu überspielen und dafür herauszufinden, warum Jo ihm anders als üblich gegenübertrat. Er vermutete, dass dieser sich aufgrund des Streits mit seinem Sohn derart untypisch verhielt. Ben hatte immerhin jedes kleinste Detail der Auseinandersetzung mitbekommen.
„Hast du wen anderes erwartet?“, fragte Jo zurück und trat zwei weitere Schritte ins Zimmer.
„Nein, nein ... ich war gerade nur so in Gedanken“, tat Ben schnell ab.
Er lächelte gezwungen und war gespannt auf das, was Jo von ihm wollte. In den zwei Wochen, in denen Ben nun schon in der Villa wohnte, hatte der Architekt ihn zuvor kein einziges Mal in seinem Gästezimmer aufgesucht.
Für einen Moment schwiegen sich die beiden an. Ben hatte viele Fragen, traute sich aber nicht, eine davon zu stellen. Er war sich sicher, dass Jo nur gekommen war, um den Streit zwischen ihm und seinem Sohn zu rechtfertigen. Ben versuchte zwanghaft, sich nichts anmerken zu lassen, obwohl Jo ihm immer unsympathischer wurde. Ben konnte es einfach nicht gutheißen, wie dieser mit Sams Tod umgegangen war. Außerdem verabscheute er die Art, wie Jo sich gegenüber seinem Sohn verhielt und Alex auch des Öfteren vor ihm bloßstellte. Wenn all die Fakten und Vorwürfe von Alex wahr sein sollten, hatte Jo wirklich einen miserablen Charakter, der auch von dessen beneidenswerter Karriere nicht mehr wettgemacht werden konnte.
„Ben“, begann Jo, betrat das Zimmer vollständig und lehnte die Tür hinter sich an. „Es tut mir leid, dass du vorhin mit in diesen Disput geraten bist.“
Er sprach von dem Streit wie von einer nervigen Sache, die er von der Arbeit mit nach Hause gebracht hatte. Wieder einmal schien ihm Alex und dessen Gefühlsausbruch vollkommen egal zu sein.
„Ist schon gut“, tat Ben ab und wollte nicht weiter über die ganze Sache reden, denn er fühlte sich unwohl dabei.
„Nein, es ist nicht gut“, bekräftigte Jo daraufhin. „Das Ganze ist mir reichlich unangenehm und ich wünschte, wir hätten das vermeiden können. Alex ist manchmal recht schwierig und jetzt, wo sein Hund auch noch tot ist, scheint er wieder in eine Phase geraten zu sein, in welcher er in eine pubertäre Rolle zurückschlüpft.“
Innerlich setzte Bens Körper vor Wut Adrenalin frei, doch nach außen hin tat er gelassen und zuckte nur kurz mit der Schulter. Er konnte nichts auf Jos Worte erwidern, denn diese waren so kalt und herablassend, dass Ben sie nicht einfach so hinnehmen konnte. Doch er ließ sich nach wie vor nichts anmerken und schluckte seine Wut still schweigend herunter.
„Alex lebt in einer ganz anderen Welt als ich und scheint sich das ein oder andere oft so hinzudrehen, wie er es gern hätte. Du brauchst nicht allem, was er behauptet, Glauben zu schenken“, erklärte Jo weiter und beobachtete Ben dabei aufmerksam.
Dieser kniff seine Lippen zusammen, wollte gerade etwas Ausfallendes erwidern, konnte sich aber noch gerade eben beherrschen. Er ballte seine Hände zu Fäusten, lockerte sie dann wieder und spielte immer wieder für wenige Sekunden mit dem Gedanken, Jo seine eigene Meinung zu dem ganzen Thema an den Kopf zu werfen. Letztendlich entschied er sich aber für eine simplere Variante. Er trat auf Jo zu und
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