Wintermond (German Edition)
Reißverschluss seiner Jeans zu und schloss schließlich den Knopf. Dabei wandte er den Blick kein weiteres Mal von Alex ab. Er hatte nicht geglaubt, dem Blonden so schnell wieder zu begegnen. Noch immer wartete er auf eine Antwort von Alex, doch schien dieser seine Frage gekonnt zu ignorieren. Ben knüllte sein T-Shirt noch fester zusammen und ließ es erst einmal in das Waschbecken fallen.
„Bist du fertig?“, fragte Alex nach einer Weile und hielt seine Hand noch immer seitlich vors Gesicht.
„Na ja, das T-Shirt hier zieh’ ich mir bestimmt nicht mehr an“, erwiderte Ben und musste trotz der für ihn unangenehmen Situation innerlich schmunzeln.
Alex nahm daraufhin seine Hand aus dem Gesicht und sah kurz zu Ben auf. Seine Mimik spiegelte wider, wie unwohl er sich fühlte.
„Ich wollte Verbandzeugs holen“, erklärte er dann und wich Bens Blick wieder aus. Dafür spähte er an dem Dunkelhaarigen vorbei in Richtung des Waschbeckenunterschrankes. Er blieb noch einen Moment stehen, bevor er einen Fuß vor den nächsten setzte und auf die rechte Schrankhälfte zuschritt. Bens Anwesenheit ignorierte er dabei vollkommen, riss lediglich eine der Schubladen auf und begann in deren völlig chaotischen Inhalt zu wühlen. Er kramte solange zwischen alten Kämmen, Taschentüchern und Handseifenpackungen herum, bis er sein gewünschtes Objekt endlich fand und hervorzog. Es war ein kleiner zusammengerollter Verband, über dessen ungünstigen Aufenthaltsort Ben sich vorerst keine Gedanken machen wollte. Er beobachtete Alex, kniff seine Lippen kurz zusammen und seufzte schließlich laut auf, weil er das angespannte Schweigen zwischen sich und Alex nicht länger ertrug.
„Du wusstest doch, dass ich noch im Bad bin“, sagte er und spielte damit erneut auf seine zuvor gestellte Frage an.
„Die Tür war offen“, erwiderte Alex und kramte sich zusätzlich noch eine kleine Rolle Tape aus der Schublade, mit dem er seinen Verband vermutlich zusammenkleben wollte. Dann drückte er die Schublade wieder zu und ließ sich auf dem Klodeckel nieder. Er streckte seine verletzte Hand aus und klemmte den Anfang des Verbands zwischen seine Finger.
„Du hättest klopfen können“, sagte Ben und beobachtete Alex’ mühselige Versuche, an seiner Hand einen Ansatz für die Bandage zu finden.
„Und du hättest abschließen können“, konterte Alex und schien dabei sichtlich konzentriert auf das Verarzten seiner Hand zu sein.
Ben atmete tief durch. Noch immer wusste er nicht, wie lange Alex in der Tür gestanden und ihn beobachtete hatte, aber er wusste, dass die aktuelle Konversation zu keinem Ergebnis führen würde. Also gab er auf und erwiderte nichts mehr. Dennoch war er recht beeindruckt von der Gelassenheit, die Alex an den Tag legte.
„Soll ich dir helfen?“, bot Ben schließlich an und trat einen Schritt auf den Blonden zu.
Doch dieser riss seine Hand reflexartig zurück und war anscheinend so erschrocken, dass er den Verband fallen ließ und daraufhin beobachtete, wie sich der schmale, weiße Stoff quer durchs Bad rollte.
Ben musste grinsen, hielt sich jedoch mit einem Kommentar zurück und versuchte wieder ernst zu wirken. Er bückte sich, hob die weiße Rolle an und wickelte sie wieder auf. Mit dieser in der Hand ging er erneut auf Alex zu und hockte sich vor ihn. Der Blonde sah ihm fest in die Augen, äußerte jedoch keine deutbare Mimik. Ben griff schließlich ungefragt nach Alex’ blutverschmierter Hand und legte sie mit der verletzten Fläche nach oben vor dem Blonden auf das Knie. Dann begann er wie selbstverständlich damit, die Hand zu umwickeln. Er sagte kein Wort, spürte jedoch die ganze Zeit über, wie Alex ihn anstarrte. Ben hatte ein gesundes Selbstbewusstsein und wusste, dass er durch die viele Lauferei und anderen Sport eine gute Figur machte. Also konnte er auch mit seinen Reizen spielen und genoss es, Alex halbnackt so nahe sein zu können. Dennoch herrschte eine erdrückende Stille im Bad. In der Luft lagen viele Fragen und Gedanken, doch keiner der beiden schien sie aussprechen zu wollen. Erst als Ben fast fertig war, hielt Alex ihm das Tape hin und sah ihn dabei kritisch an. Ben erwiderte den Blick und nahm das Pflasterband entgegen.
„Glaub’ ja nicht, dass das hier aufs Gleiche hinausläuft wie vorhin!“, meinte Alex plötzlich und klang dabei altbekannt zynisch.
Ben musste lächeln, tat jedoch unschuldig und erwiderte: „Ich weiß nicht, was du meinst.“
Das Folgende passierte so
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