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Wintermond (German Edition)

Wintermond (German Edition)

Titel: Wintermond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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entgegnete streng: „Das geht mich alles nichts an, Jo.“
    „Ja, ich weiß ja, dass du dich ungern in unsere familiären Angelegenheiten einmischt, aber gib mir wenigstens die Möglichkeit, das Ganze zu erklären“, sagte Jo und in seiner Stimme war sogar ein Hauch von geringfügiger Verzweiflung zu erkennen. Vermutlich schämte er sich bloß für das, was Ben mitbekommen hatte, weil es eigentlich der Wahrheit entsprach.
    „Jo, bitte!“, bat Ben erneut und biss seine Zähne kurz kräftig zusammen, um die immer noch vorhandene Wut zurückzuhalten. „Es geht mich wirklich nichts an.“
    Jo sah Ben eine Weile argwöhnisch in die Augen, als ob er dessen Verhalten genauestens analysieren wollte. Er legte seinen Kopf leicht nach hinten und befeuchtete seine Lippen mit der Zunge. Kurz darauf nickte er erst kaum merklich, dann deutlicher.
    „In Ordnung“, sagte er dann. „Ich akzeptiere, dass du dich nicht einmischen willst.“
    Ben blickte starr zurück. Das Adrenalin kribbelte in seinen Adern und er hatte große Mühe, nicht überreizt auszusehen. Deshalb war er froh, dass Jo es endlich darauf beruhen ließ. Jos Blick klebte jedoch nach wie vor so fest an ihm, dass Ben für kurze Zeit das Gefühl bekam, mit diesem Blick durchbohrt zu werden. In den Augen des älteren Mannes spiegelte sich Zweifel wider, womit sich in jenem Moment etwas Unvertrautes zwischen das eigentlich gute Verhältnis der beiden legte. Ben hatte das Gefühl, dass Jos Blick bis in sein Inneres vordrang und dort solange kitzeln wollte, bis Ben tatsächlich ausrasten würde. Doch genau das ließ der Dunkelhaarige nicht zu. Er blieb stark und behielt die alleinige Kontrolle über seinen Körper. Nach weiteren Minuten war sogar er es, der einen Schritt vorwärts wagte, seine Hand nach der von Jo ausstreckte und dabei ein freundschaftliches Lächeln vortäuschte.
    „Vergessen wir das einfach, ja?“, sagte er dazu und nickte ermutigend.
    Jo musterte ihn noch einen letzten Augenblick skeptisch, bevor er Bens Geste mit einem festen Handschlag erwiderte.
    „Du gefällst mir“, meinte Jo dazu und grinste erhaben. „Du trennst Privates von Beruflichem und legst eine wirklich ausgeklügelte Professionalität an den Tag.“
    Ihre Hände lagen noch immer ineinander, während Ben seinen Ohren nicht trauen konnte. Er hatte mit allem gerechnet, aber keineswegs mit einem Kompliment in einer derart merkwürdigen Situation. In diesem Fall hatte er Jo tatsächlich falsch eingeschätzt, denn statt dieser Worte hätte er erwartet, dass Jo fortan Bedenken an ihm haben würde. Doch Bens schauspielerische Seite schien tatsächlich genügt zu haben, um jegliche Zweifel, die für kurze Zeit in Jo aufgekommen waren, zunichte zu machen. Das war gut so, denn wenn Jo herausbekommen würde, was Ben wirklich von ihm dachte, würde dieser seine Koffer wahrscheinlich sofort packen müssen.
    „Erinnerst du dich an unsere angefangene Schachpartie von neulich?“, brach Jo das Schweigen erneut und ließ endlich von Bens Hand ab.
    Der Angesprochene musste einen Moment lang nachdenken, in seinem Kopf erst einmal wieder eine ganz andere Datei öffnen. Doch dann erinnerte er sich an ein belangloses Schachspiel, das er vor über einer Woche mit Jo begonnen hatte. Die beiden hatten an diesem Tag viel Papierkram erledigt und sich deswegen einen früheren Feierabend gegönnt. Kurz vor dem Abendessen hatten sie dann eine Runde Schach begonnen, diese aber aufgrund eines wichtigen Telefonanrufs von Jo vorzeitig beenden müssen.
    „Das Spiel steht noch?“, fragte Ben ungläubig.
    „Natürlich steht es noch“, erwiderte Jo so, als wäre dies etwas Selbstverständliches. „Schach ist mehr als nur ein Spiel. Es ist ein Sport ... ein Kampf ... eine Herausforderung. Es geht um Macht und Überlegenheit, Genie und Wahnsinn. Ein angefangenes Spiel ist es immer wert, beendet zu werden.“
    Ben konnte sich nicht länger zurückhalten. Er musste laut loslachen, denn Jo wirkte so begeistert, wie er ihn zuvor noch nie erlebt hatte. Schach schien Jos geheime Leidenschaft zu sein.
    „Entschuldige!“, sagte Ben, während er sich wieder beruhigte. „Aber für mich ist es nach wie vor nicht mehr als ein Spiel.“
    „In dieser Hinsicht bist du ein Narr“, erwiderte Jo, jedoch auf eine charmante Art und Weise. „Schach ist eine Kunst für sich.“
    „Mag sein ...“, seufzte Ben lächelnd.
    „Wenn dir das nicht reicht, können wir die Spannung der Partie auch gern mit anderen Mitteln

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