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Wintermond (German Edition)

Wintermond (German Edition)

Titel: Wintermond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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Schweigen. Bens Puls schlug schneller als zuvor. Er war nervös und befürchtete sogar, zu weit gegangen zu sein. Eigentlich war diese Frage eine leichte an einen Vater. Doch zwischen genau diesem Vater und dessen Sohn herrschte ein recht unnatürliches Verhältnis, weshalb die Antwort darauf keine Selbstverständlichkeit war. Jo leerte sein Glas und schenkte sich gleich darauf neuen Wein ein. Er wirkte nachdenklich und mit einem Mal fast traurig. In solch einer Verfassung hatte Ben den Architekten nie zuvor erlebt. Jo nahm Bens geschlagenen Bauern zwischen die Finger und wendete ihn einige Male in seiner Hand. Erst nach einer ganzen Weile sah er wieder auf und blickte Ben direkt in die Augen.
    „Natürlich liebe ich meinen Sohn“, sagte er dann. Er klang streng und vorwurfsvoll.
    In Ben machte sich Erleichterung breit, dennoch verstand er nicht, warum Jo für diese Antwort eine derart lange Bedenkzeit benötigt hatte.
    Den nächsten Zug machte Jo fast so, als ob sich der Inhalt des Gesprächs auf ihre Spielfiguren übertrug. Er zog seine Dame und schlug Bens Läufer. Er schien nicht allzu gut darüber nachgedacht zu haben. Ansonsten hätte er stattdessen dafür gesorgt, seine Figuren besser zu positionieren oder wenigstens seinen König in fernere Sicherheit zu bringen. Doch der Zug, für den er sich letztendlich entschieden hatte, entsprach dem Niveau eines Anfängers.
    „Ich weiß, dass Alex Probleme hat. Er hat immer viele Probleme. Deshalb frag’ ich dich jetzt, wie schlimm es dieses Mal um ihn steht“, sagte Jo und stellte den geschlagenen Läufer zum Bauern neben das Schachbrett.
    Ben wunderte sich, dass Jo diese Frage nicht präziser stellte, obwohl er eigentlich froh darüber sein konnte. Das ganze Spiel mit all seinen Fragen nahm mit einem Mal ein erschreckend tiefsinniges Ausmaß an. Plötzlich schien sich alles nur noch um Alex zu drehen und Ben fühlte sich fast wie ein Spion, der nun sehr persönliche Informationen über das Opfer ausplaudern musste.
    „Es ist sehr schlimm“, erwiderte er schließlich kurzfassend.
    Mehr wollte er zu diesem Thema nicht sagen und hielt seine Antwort deshalb so knapp wie möglich. Er wollte Alex nicht verraten und zog in jenem Moment sogar in Betracht, bei den nächsten Fragen nicht länger bei der Wahrheit zu bleiben. Glücklicherweise schien das Spiel sich langsam dem Ende zu nähern und für Ben sah es sehr gut aus. Er rückte seine Dame ein Feld nach rechts und sagte bestimmt: „Schach.“
    Jos König konnte nun nur noch auf ein einziges Feld ausweichen. Ben hatte ihn erfolgreich in die Enge getrieben. Der Architekt starrte wie gebannt auf das Schachbrett. In seinen Augen sah man, dass er nur zu gut wusste, wie es um ihn stand.
    „Warum brauchst du mich, um Dinge über Alex herauszufinden? Warum gehst du nicht selbst zu ihm und fragst ihn einfach?“, erkundigte Ben sich interessiert.
    Es war eine Frage, die ihm auf der Seele brannte. Die Schachpartie hatte einen Verlauf genommen, den es nun weiterzuführen galt. Ben musste also gute Fragen parat haben, bevor das Spiel irgendwann zu Ende sein würde.
    „Weil Alex mir gegenüber nicht ehrlich ist und mich längst nicht mehr an seinem Leben teilhaben lässt“, erklärte Jo und klang dabei recht unberührt.
    Ben hätte am liebsten entgegnet, dass dieses Verhalten von Alex mehr als verständlich war, da Jo sich ihm gegenüber stets wie ein ignorantes Arschloch benahm. Doch diese Worte schluckte er lieber hinunter und wartete stattdessen auf Jos nächsten Zug. Da Jo nur noch eine einzige Möglichkeit zu ziehen blieb, fiel dieser nicht sonderlich überraschend aus. Jo nahm seinen König zwischen Zeigefinger und Daumen und wollte gerade ziehen, als plötzlich die Tür des Wintergartens aufsprang, hinter der sich genau die Person wiederfand, um die sich zurzeit das gesamte Schachspiel drehte: Alex. Der Blonde starrte die beiden abwechselnd an und wirkte dabei recht irritiert. Das wunderte Ben nicht, nachdem, was zwischen Alex und seinem Vater vorgefallen war. Immerhin hatte er den ganzen Streit mitbekommen und saß so seelenruhig mit Jo im Wintergarten, als ob er sich gar nicht um Alex’ Vorwürfe und deren Hintergründe scherte. Er hätte dem Blonden diese Situation am liebsten erklärt, doch dafür war in jenem Moment nicht der richtige Zeitpunkt.
    „Was gibt es, Alex?“, fragte Jo nachdrücklich und klang dabei recht genervt.
    „Keine Angst ...“, erwiderte der Blonde kühl und setzte einen verächtlichen

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