Wintermond (German Edition)
los!“, zischte er und versuchte Bens Hand von seinem Oberarm zu ziehen.
Doch Ben schien ihn und seine Aufforderung zu ignorieren.
„Lass uns doch einfach wie zwei normale Menschen darüber reden!“, versuchte der Dunkelhaarige es ein weiteres Mal mit etwas mehr Strenge in seiner Stimme.
Alex erwiderte noch immer nichts. Dafür schaffte er es endlich, sich von Ben loszureißen. Wütend strich er daraufhin die Stelle an seinem Hemd glatt, die durch den festen Griff völlig zerknittert worden war.
„Alex, wir hatten Sex! Darüber müssen wir verdammt noch mal reden!“, fluchte Ben und schien völlig aufgebracht zu sein.
Zusammen mit den ersten Worten des Dunkelhaarigen zogen die Erinnerungen der Poolszene aufs Neue durch Alex’ Kopf. Bens Worte bohrten sich dabei in sein tiefstes Inneres. Der Dunkelhaarige hatte es tatsächlich ausgesprochen und in einem derart kurzen und simplen Satz zusammengefasst, dass Alex erst jetzt, wo sein Körper nicht mehr von überschüssigen Hormonen durchflutet wurde, genau verwirklichte, was geschehen war. Plötzlich war das Ganze extrem real und glich nicht mehr länger der schwachen Erinnerung an einen bösen Traum.
Dennoch wusste er nicht, was er erwidern sollte. Bens Worte hatten ihm die Sprache verschlagen. Mühselig durchforstete er seinen Verstand nach irgendetwas Brauchbarem und entschied sich letztendlich dafür, eine andere Masche aufzufahren.
„Ben, bitte!“, sagte er und versuchte dabei abtuend und arrogant zu klingen. „Wir scheinen es ja beide nötig gehabt zu haben. Da ist das halt passiert.“
Bens Miene verfinsterte sich daraufhin.
„Du machst es dir und deinem Gewissen ja wieder mal echt einfach“, entgegnete er streng.
„Scheiße ...“, fluchte Alex und machte dabei mit seinen Händen wirre Gesten. „Es ist halt passiert. Wir hatten beide unseren Spaß. Okay? Wir können das Ganze jetzt wirklich abhaken und vergessen.“
Bens Brustkorb begann sich schneller zu heben und zu senken. Er schien ziemlich wütend zu sein. Seine braunen Augen sahen böse und vorwurfsvoll aus. „Wir?“, wiederholte er eines von Alex’ Worten übertrieben hoch. „Wenn ich mich recht entsinne, warst du derjenige, der angefangen hat. Ich hab’ dir überhaupt keinen Anlass dazu gegeben.“
„Und ob!“, entgegnete Alex nun ebenfalls aufgebracht. „Seit du hier bist, gräbst du mich an und versuchst mich in diese ganze Schwulenscheiße mit reinzuziehen! Du ... du ...“ Alex’ Gesten wurden noch wilder und unklarer, seine Stimme lauter. „Du hast das Ganze doch förmlich provoziert!“
Er war den Tränen der Verzweiflung nahe. Er wusste, dass seine Worte weder Logik noch Sinn beinhalteten, doch fiel ihm in jenem Moment nichts Besseres ein.
„Ach, und deshalb fickst du mich gleich, ja?“, fragte Ben ungehemmt.
Die Frage war sehr direkt und all die Diskretion verschwand in genau diesem Moment. Bens Worte hallten in Alex’ Kopf wider - laut und blechern. Er schnaubte, wandte den Blick ab und führte seine linke Hand an seinen Hinterkopf. Er war nervös und begann sich so fest an einer Stelle zu kratzen, dass es schon wehtat. Dann nahm er die Hand wieder herunter, kniff seine Lippen zusammen und blickte angespannt von links nach rechts. Erst nach einer ganzen Weile sah er Ben wieder in die Augen.
„Was willst du von mir hören?“, fragte er verzweifelt, hob dabei beide Arme und ließ sie gleich darauf wieder schlaff an seine Seiten fallen. „Dass ich jetzt auch ’ne verfluchte Schwuchtel bin und auf dich steh’?“
Bens Blick wurde etwas gelassener. Es schien sich sogar ein unterdrücktes Grinsen hinter seiner strengen Miene zu verbergen. Alex betrachtete ihn kritisch und wartete.
„Das wäre ein Anfang“, erwiderte Ben schließlich wieder etwas ruhiger.
Alex packte der Zorn. Wütend trat er einen Schritt näher auf Ben zu und hob dabei drohend seinen Zeigefinger.
„Hör’ mir mal gut zu!“, zischte er. „Ich“, er stockte, „bin“, er stockte erneut, „nicht“, er stockte ein letztes Mal, „schwul!“
Er hörte sich selbst sprechen und war beeindruckt, wie sicher und selbstbewusst er klang. In seinem Kopf prahlte wieder die dominante Stimme und applaudierte seinen gelungenen Worten, doch irgendwo dahinter verbarg sich noch etwas anderes. Es waren nicht unbedingt Worte, sondern Emotionen. Eines dieser Gefühle ließ Alex spüren, dass er soeben gelogen hatte. Zwar fühlte er sich nicht schwul und hatte diese Neigung in seinem bisherigen
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