Wintermond (German Edition)
Außerdem ärgerte es ihn, dass er überall in der Villa an Ben erinnert wurde und diesem deshalb gedanklich nicht einmal für wenige Minuten aus dem Weg gehen konnte. Er entfernte den Zettel von der Granitplatte und hielt ihn etwas entfernt vor sich in die Luft.
„ Mein allerliebster Ben, ich genieße es ja so, wie du mir in den Arsch kriechst, aber für heute müssen wir das leider verschieben. Hoffentlich kommst du auch ohne mich klar! “, stellte er die geschriebenen Worte in übertrieben verstellter Stimme um.
Doch schon im nächsten Augenblick zuckte er zusammen. Erschrocken wandte er sich um, als er genau die Person hinter sich sprechen hörte, die er in jenem Moment am allerwenigsten sehen wollte.
„Ich hatte die Notiz eigentlich anders in Erinnerung“, sagte Ben und schien sich dabei ein Grinsen zu verkneifen.
Alex fühlte sich schrecklich, versuchte sich allerdings nichts anmerken zu lassen. Er wusste, dass er sich nun vermutlich gewissen Fragen stellen oder zumindest einige pikante Äußerungen über sich ergehen lassen musste. Genervt blickte er in Bens Richtung und sah dabei, dass der Dunkelhaarige sich provisorisch ein Pflaster auf die Platzwunde geklebt hatte. Auf dessen Kommentar erwiderte er allerdings nichts. Stattdessen schritt er zurück zum Fenster, lehnte sich erneut mit dem Rücken gegen den kühlen Tresen und begann damit, einzelne Körner von seinem Brötchen zu pulen, um sie einzeln in seinen Mund zu stecken. Ben ging ebenfalls zum Hängeschrank und holte sich ein Glas. Auch er füllte es mit Wasser und begann zu trinken. Er stand mit dem Rücken zu ihm. Alex beobachtete ihn streng. Dabei begann ein mulmiges Gefühl durch seinen Magen zu ziehen. Er betrachtete Bens Körper, dann dessen Hände, wie sie nach einem Croissant griffen und sich kleine Stückchen vom gebackenen Blätterteig rupften. Dann wanderte sein Blick an Ben herab bis zu dessen Hintern. Dort blieb Alex hängen. Blitzartig begannen die Szenen aus dem Poolzimmer durch seinen Kopf zu jagen, einzelne Erinnerungsfetzen an das, was zwischen ihm und Ben geschehen war. Das beunruhigende Gefühl in ihm wuchs rasch an und wechselte unentwegt von angenehm in unangenehm. Er musste an Bens nackten Arsch denken und daran, wie er den Dunkelhaarigen in eben diesen gefickt hatte. All das war so fern und doch so nahe. Alex wurde von unbekannten Gefühlen überwältigt und deshalb mit einem Mal ganz panisch. Er zwang sich, den Blick abzuwenden, lehnte sich weiter zurück und schloss seine Augen erst einmal - in der Hoffnung, möglichst schnell wieder zur Vernunft zu kommen. Dabei fragte er sich, was mit ihm los war, konnte es einfach nicht verstehen. Bis eben hatte ihn all das doch noch angewidert und er hatte sich gewünscht, Ben nie wieder sehen zu müssen. Doch jetzt, wo der Dunkelhaarige wieder da war, schien er dessen Nähe schon fast zu genießen und empfand den Sex plötzlich nicht mehr als allzu abwegig.
„Alles klar?“, wurde er plötzlich aus den Gedanken gerissen.
Alex schlug seine Augen auf und blickte verwirrt in Bens Richtung.
„Ja ... ja ... ich ...“, stotterte er und begann noch nervöser an seinem Brötchen zu fummeln.
Ben sah ihn skeptisch an.
„Ich ...“, Alex musste stark schlucken, spürte wie ihm warm wurde und fuhr sich unruhig mit Zeigefinger und Daumen über den Nasenrücken.
Er versuchte sich zu sammeln und innerlich zu beruhigen, doch schien sein Wortschatz sich plötzlich auf ein Minimum reduziert zu haben. Schließlich versuchte er einen Ausweg aus seinem Stottern zu finden und schnitt deshalb ein anderes Thema an.
„Du solltest damit zum Arzt gehen!“, sagte er und tippte sich dabei mit dem Zeigefinger genau dort gegen die Schläfe, wo Ben sein Pflaster hatte.
Bens Augenbrauen zogen sich irritiert zusammen. Er steckte sich ein weiteres Stück Croissant in den Mund und zerkaute es langsam. Alex beobachtete ihn dabei und konnte den Blick trotz starkem Willen nicht von seinem Gegenüber abwenden. Ein Kribbeln durchzog seinen Bauch und obwohl er diesen Gedanken eigentlich nicht einmal wagen würde, fand er, dass Ben gut aussah. Außergewöhnlich gut. Das Kribbeln wurde stärker. Sein Gemütszustand war völlig abstrus, denn vor wenigen Minuten hatte er sich noch vor Ben und sogar sich selbst geekelt und jetzt empfand er dessen Anwesenheit als vollkommen positiv. So sehr er sich auch bemühte, herauszufinden, was mit ihm los war, gelang es ihm nicht.
Die Blicke der beiden hafteten fest
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