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Wintermond (German Edition)

Wintermond (German Edition)

Titel: Wintermond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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Streit mit Jo zurück als seine verletzte Hand. Daran wollte er allerdings keine unnötigen Gedanken verschwenden. Er hatte sich schon oft mit Jo gestritten, vielleicht nicht in dieser detaillierten Art und Weise, aber mit denselben Vorwürfen. Es hatte sich nie etwas geändert und auch der letzte Streit würde keine positiven Auswirkungen haben. Wenn er und sein Vater sich stritten, war das nicht mehr als eine Auseinandersetzung, die im nächsten Moment schon wieder in Vergessenheit geriet. Denn der Alltag ging weiter und beide taten dann stets so, als ob nichts geschehen wäre.
    Behutsam setzte Alex einen Fuß vor den anderen und kletterte über die herumliegenden Gegenstände. Währenddessen sah er sich in seinem Zimmer um. Er betrachtete den zersprungenen Spiegel an seinem Schrank, dann die heruntergeworfene Nachttischlampe zu seinen Füßen und zu guter Letzt all die Bücher und anderen Sachen, die er aus seinem Regal gerissen hatte. Er versuchte ruhig zu bleiben, sich einfach nicht von dem ganzen Durcheinander irritieren zu lassen. Doch es beunruhigte ihn, mitunter deshalb, weil es seinen psychischen Zustand nur umso deutlicher widerspiegelte. Denn auch in seinem Kopf herrschte ein so heftiges Chaos, dass er es mittlerweile einfach nicht mehr schaffte, sich einen klaren Überblick über all seine Sorgen und Probleme zu verschaffen. Je nach Situation setzte er einfach Prioritäten und versuchte sich auf diese Art und Weise mit den aktuellsten Problemen auseinanderzusetzen. Das war der einzige Weg, um noch etwas bei Verstand zu bleiben und nicht völlig wahnsinnig zu werden.
    Alex seufzte noch einmal und machte sich schließlich ans Aufräumen.
    Zunächst einmal hob er die vor seinen Füßen liegende Lampe auf und positionierte sie zurück auf seinem Nachtschrank. Dann schritt er zu dem nahezu leeren Regal und hockte sich davor. Behutsam nahm er ein Buch nach dem anderen und legte sie in das Regal zurück. Zu guter Letzt griff er nach einem Modellauto, das vollständig unter den anderen Sachen verschüttet gewesen war. Er nahm es in seine Hand und begutachtete es gründlich. Es war ein Mercedes-Benz W196R, ein silberner Formel 1-Rennwagen von 1954. Seine Mutter hatte ihm dieses wertvolle Modell zu seinem 18. Geburtstag geschenkt, passend dazu zwei Karten für den Grand Prix von Europa am Nürburgring. Zu diesem war er dann mit seinem besten Freund, Sebastian, gefahren. Er erinnerte sich noch zu gut daran, wie Michael Schumacher das Rennen für sich entschieden hatte. Es war eine schöne Erinnerung, jedoch mit einem bitteren Nachgeschmack. Denn dieses handgefertigte Modell, das eines seiner Lieblingsmodelle war, erinnerte ihn gleich an beide Menschen, die er bislang verloren hatte.
    Alex musste schlucken. Zum Glück war dem unter Plexiglas geschützten Modell nichts passiert. Nur das Glas hatte ein paar Schrammen abbekommen. Behutsam stellte er es zurück auf das Regal. Jetzt war das gröbste Chaos beseitigt.
    Zwar wollte er Ben noch immer nicht über den Weg laufen, doch überkam ihn ganz plötzlich ein Anfall von Hunger und Durst, dem er nachgehen wollte. Also ging er zur Tür, verließ sein Zimmer, durchquerte den langen Flur und eilte die Treppe hinunter. Nach ein paar weiteren Schritten befand er sich schon in der Küche. Er holte sich ein großes Glas aus einem der Schränke und füllte es mit Wasser. Mit diesem in der Hand schritt er zum Fenster, lehnte sich mit dem Rücken an den Küchentresen und starrte dabei wie gebannt auf die offene Küchentür. Noch immer hoffte er, dass Ben nicht plötzlich auftauchen und ihn zur Rede stellen würde. Es war nahezu absurd, doch begann er sich in seinem eigenen Haus unwohl und verfolgt zu fühlen. Unbewusst ging er dennoch mögliche Antworten und Ausreden durch, die er Ben bei dem nächsten Gespräch entgegnen könnte. Er trank ein paar Schlucke Wasser. Dann knurrte sein Magen. Schnell trank er sein Glas leer. Neben sich sah er einen Brötchenkorb auf dem Tresen stehen. Deshalb zögerte er nicht lange, trat darauf zu und nahm sich ein Vollkornbrötchen. Gierig biss er hinein, konnte den Geschmack allerdings nicht sonderlich lange genießen, als er direkt neben dem Körbchen einen Notizzettel kleben sah.
    „ Bin bei einem Geschäftsessen. Nimm dir für heute frei! Jo “, stand auf diesem geschrieben.
    Es war an Ben gerichtet. Alex würgte das Stück Brötchen in seinem Mund herunter. Bei dem Gedanken an das Verhältnis zwischen Ben und Jo wurde ihm schlecht.

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