Wintermond (German Edition)
gefallen.“
Alex’ Blick verfinsterte sich und nahm eine undefinierbare Mimik an.
„Du beschissener Wichser!“, fluchte er dann. „Verpiss dich aus meinem Leben!“
„Tz...“, machte Ben daraufhin, wandte sich ab und blickte kopfschüttelnd an Alex vorbei ins Leere.
Dann packte er den Blonden noch einmal fester und stieß ihn schließlich von sich weg. Schwer atmend beobachtete er, wie Alex sich wieder aufrichtete und sein Hemd glatt zu streichen begann. In Jos Richtung schaute Ben kein weiteres Mal. Er stolperte lediglich ein paar Schritte rückwärts und lachte gleichzeitig höhnisch auf. Dabei fühlte er sich wie ein Irrer, der in diesem Moment auch noch den letzten Rest seines Verstands verloren hatte.
„Denkst du, dass deine Gefühle verschwinden, wenn ich weg bin?“, fragte er Alex und lachte noch immer gehässig. „Oh, nein, Alex! So einfach ist das nicht. Und weißt du was?“, er pausierte kurz und kam währenddessen an der Tür an, „ich bin froh ... wirklich froh ... dass ich zu dem stehe, was ich bin.“
Dann wandte er sich um und eilte so schnell er konnte aus dem Wohnzimmer, um möglichst rechtzeitig weiteren Kommentaren aus dem Weg zu gehen. Er hastete durch den langen Flur. An der Haustür angekommen quetschte er seine Füße in die Joggingschuhe, riss sich dann seine Jacke von der Garderobe und verließ schließlich die Villa. Die Haustür warf er dabei wütend hinter sich zu. Eigentlich war das Laufen das letzte, wozu er nun Lust hatte, doch andererseits konnte er sich auf diese Art und Weise abreagieren und sich so lange auspowern, bis irgendwann auch das letzte Adrenalin aus ihm verschwunden sein würde.
Also rannte er los. Normalerweise fand jede seiner Joggingrunden in demselben Schema statt: Erst ging er eine Weile, dann lief er ein paar Kilometer, wurde nach etwa zehn Minuten schneller und absolvierte den gesamten Rest seines Laufes in einem aushaltbarem Tempo. Erst zum Schluss gab er sich an manchen Tagen noch einmal den letzten Kick, indem er ein weites Stück sprintete.
Doch heute konnte er nicht gehen, konnte auch nicht laufen. Er musste rennen.
Also hastete er von der Hofeinfahrt, überquerte die Straße ohne dabei auf den Verkehr zu achten, rannte dann die vielen Treppen bis zur Elbe herunter und stürmte auf das Wasser zu. Er war noch nicht sonderlich weit gekommen, doch die kühle Luft in seinen Lungen machte ihm bereits zu schaffen. Er spürte, dass er zu aufgeregt war und sein Körper trotz des starken Willens nicht zu dem imstande war, was er von ihm verlangte. Seine Knie schmerzten, seine Atemwege brannten und in seinen Seiten begann es heftig zu ziehen.
„Scheiße ...“, fluchte er und wurde langsamer.
Er joggte noch ein kleines Stück weiter und blieb schließlich stehen. Es war lächerlich, wie wenige Meter er bis jetzt hinter sich gebracht hatte. Doch sein Körper war absolut ausgelaugt und sein Kopf völlig überladen. Erschöpft fuhr er sich mit seinen Händen durchs Haar und steuerte währenddessen auf eine kleine Mauer zu, die den vereisten Sandweg von der Elbe trennte. Mit seiner linken Hand schob er den vielen Schnee, der sich auf dieser befand, herunter und setzte sich. Die Kälte der Mauer drang sofort durch seine dünne Jogginghose und verursachte ein brennendes Gefühl an seinem Hintern. Doch diesen unangenehmen Schmerz ignorierte er. Er drehte sich zur Elbe um und begann die idyllische Winterlandschaft zu betrachten. Alles um ihn herum schien so normal zu sein, während er sich selbst in einer derart prekären Situation befand, aus welcher er nicht einmal einen Ausweg wusste. Zwar kannte er eine Möglichkeit, doch diese zog er gar nicht erst in Erwägung. Er wollte Alex nicht auffliegen lassen, denn er fühlte sich schon schlecht genug damit, den Blonden soeben halbwegs vor Jo geoutet zu haben. Wahrscheinlich machte er sich in dieser Hinsicht jedoch zu viele Gedanken. Alex hatte sich vermutlich schon gekonnt aus seiner Situation herausgeredet und Jo ihm geglaubt - allein aus dem Grund, ihm glauben zu wollen. Bekanntermaßen wollte Jo keinen schwulen Sohn und schien im Allgemeinen nicht sonderlich viel von dieser Neigung zu halten.
Ben starrte auf das Wasser. Es war noch recht düster draußen. Am Horizont konnte er bereits die Sonne aufgehen sehen, wie sie sich grell leuchtend zwischen die am Himmel hängenden, grauen Wolken schob.
Die Wut in Ben ließ allmählich nach. Stattdessen begann er sich miserabel zu fühlen. Außerdem war er
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