Wintermond (German Edition)
noch glauben konnte und was nicht.
Die Umstände sprachen dabei jedoch für sich und so schien der aktuelle Vorfall das endgültige Aus zwischen ihm und Alex zu bedeuten. Ben würde dem Blonden ohnehin nicht mehr vertrauen können und auch auf ein angemessenes Praktikumszeugnis von Jo dürfte er wohl lange warten.
Es war vorbei. Ein für allemal. Ben war mit seinen Kräften am Ende. Er fühlte sich leer und ausgelaugt. Er hatte bis zum Ende gekämpft, doch auch er hatte seine Grenzen.
Schließlich erhob er sich von der kleinen Mauer und stand auf. Seine Hose war völlig durchnässt und klebte nun kalt an der Haut seines Hinterns. Er zupfte sich den klebrigen Stoff von den Pobacken und verzog sein Gesicht angewidert. Dann wandte er sich von der Elbe ab, um sich auf den kurzen Rückweg zur Villa zu begeben.
Dort wollte er seine Sachen packen und dann zurück nach Flensburg fahren. Es gab nichts mehr, was ihn noch in der Villa hielt. Außerdem hatte Jo ihn ohnehin schon herausgeschmissen und das fortführende Praktikum in dessen Stadtbüro konnte Ben nun getrost vergessen.
Das war’s also , dachte er und seufzte.
Das gesamte Praktikum hatte sich letzten Endes als absoluter Misserfolg entpuppt. Nichts war so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Normalerweise hätte er sich darüber geärgert und weiterhin um das Praktikum gekämpft, doch dies war ihm mittlerweile vollkommen gleichgültig. Ihn interessierte nur noch Alex, doch auch diesen Kampf musste er nun aufgeben.
Er wollte nach Hause, weil er Abstand brauchte, damit die Gefühle, die er für den Blonden hegte, möglichst schnell aus ihm verschwinden würden. In den letzten Wochen hatte er ohnehin genug gelitten. Also redete er sich ein, dass es genug andere Kerle gab, die er besser verdient hatte.
Wie sich die Sache mit dem gestohlenen Geld aufklären sollte, wusste er allerdings nicht. Vermutlich würde er der Polizei einfach die Wahrheit sagen. Immerhin hatte er genug Wissen, um Alex’ Umstände glaubhaft darzustellen. Beispielsweise wusste er, wo die Typen, denen Alex das Geld schuldete, ihr Quartier hatten und er wusste noch vieles mehr. Doch diese Szene wollte er gar nicht erst weiter durchspielen und verdrängte den Vorfall deshalb.
Völlig niedergeschlagen begann er durch den tiefen Schnee zurück zur Villa zu stapfen. Als er an der langen Treppe ankam, schritt er die vielen Stufen nur sehr langsam hinauf. Jede neue Stufe verstärkte dabei das melancholische Gefühl in ihm und führte ihn unwiederbringlich ein Stück näher an den Ort heran, den er eigentlich lieben gelernt hatte, nun aber verlassen musste.
Er fühlte sich elend. Elend, weil er Alex liebte, ihn aber gleichzeitig verachtete und nicht länger lieben wollte. In jenem Moment wünschte er sich einen Schalter, mit dem sich seine Gefühle einfach abstellen ließen. Doch leider gab es etwas Derartiges nicht und so musste er mit dem Chaos in seinem Inneren zurecht kommen und die Gefühle für Alex einfach auszublenden versuchen.
Er wartete ein paar Autos ab, bis er die Elbchaussee überquerte, folgte dann der Einfahrt der Villa und kehrte bis zur Haustür zurück. Dort durchsuchte er seine Jackentasche nach dem Schlüssel. Doch dann fiel ihm ein, dass er diesen vor seiner Flucht gar nicht eingesteckt hatte. Er fluchte innerlich auf und musste sich förmlich dazu zwingen, seine Hand nach der Klingel auszustrecken, um auf den kleinen, silbernen Knopf zu drücken. Daraufhin konnte er den dreitönigen Dong durch die Tür hören und vernahm gleich darauf feste Schritte. Er kam sich vollkommen lächerlich vor, wie er missmutig vor dem Hauseingang stand und darauf wartete, dass entweder Jo oder Alex ihm die Tür öffnete. Er hatte keine Lust, einem der beiden zu begegnen und sich weitere blöde Kommentare anhören zu müssen. Deshalb bereitete er sich gut auf die nächste Begegnung vor. Er verzog sein Gesicht so gut er konnte, bis er glaubte so genervt und wütend auszusehen, dass er sowieso nicht angesprochen werden würde. Seine Hände ballten sich wieder zu Fäusten, seine Lippen presste er fest zusammen.
Dann wurde die Tür von innen geöffnet.
Ben wartete und trat dabei nervös von einem Fuß auf den anderen. Er blickte nicht auf. Er hatte sich vorgenommen, das vollständige Öffnen der Tür abzuwarten und sich dann einfach an der dahinter stehenden Person vorbeizuquetschen. Auf diese Weise würde er einer möglichen Konversation, die ohnehin zu nichts führen würde, aus dem Weg
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