Wintermond (German Edition)
herauszureden. Er klang jedoch nicht sonderlich überzeugend, sondern vollkommen unsicher.
„Also hat Ben die Wahrheit gesagt, ja?“, fragte Jo nachdrücklich.
„Nein, ich ...“, stammelte Alex, wurde jedoch sofort wieder von seinem zornigen Vater unterbrochen.
„Dann ist es sicher auch wahr, dass du derjenige warst, der sich an meinem Safe bedient hat?“
„Nein! Nein, ich ...“
Ben spürte, dass nun der Moment gekommen war, an dem er besser verschwinden sollte. Deshalb wandte er sich unauffällig um und schlich in das Arbeitszimmer. Hinter sich konnte er hören, dass Jo seinen Sohn kaum zu Wort kommen ließ. Er bemühte sich jedoch, nicht zuzuhören, und eilte daraufhin zum kleinen Couchtisch, um dort nach seinen Unterlagen und seinem Laptop zu greifen. Letzteres klemmte er sich unter den Arm und schritt schließlich zurück in den Flur. Jo und Alex standen sich noch immer gegenüber, doch mittlerweile schien Alex seine scheue Art wieder abgelegt und sich stattdessen auf das Niveau seines Vaters begeben zu haben.
„Ich lass mir von dir nicht mehr vorschreiben, wie ich mein Leben zu leben habe!“, fauchte er Jo an.
„Oh, das solltest du aber besser!“, entgegnete sein Vater streng.
„Du hättest gern einen absolut perfekten Vorzeigesohn, oder? Aber das bin ich nun mal nicht. Nicht, nach allem, was ich durchgemacht habe!“, erwiderte Alex vorwurfsvoll.
„Musst du deshalb gleich schwul werden?“, fragte sein Vater verständnislos und klang dabei äußerst angewidert.
„Wer sagt denn überhaupt, dass ich schwul bin?“, fragte Alex aufgebracht zurück.
Bens Magen zog sich zusammen. Er wollte gehen, doch dann fiel ihm ein, dass sich sein Handy noch in Jos Anzugtasche befand. Allerdings schien aktuell nicht der passende Zeitpunkt zu sein, um diesen danach zu fragen. Also überlegte er noch einen weiteren Moment, bevor er schließlich in das Arbeitszimmer zurückkehrte. Dort wollte er vorerst bleiben, um den Streit der beiden abzuwarten. Jo und Alex schrien sich jedoch mittlerweile schon so laut an, dass ihr Wortgefecht auch durch die verschlossene Arbeitszimmertür hindurch schallte.
Ben wollte zwar nicht lauschen, doch ließ sich das kaum vermeiden.
„Die Situation eben war für mich mehr als eindeutig“, gab Jo kühl zurück.
„Okay ...“, meinte Alex daraufhin und schien dabei nachgeben zu wollen. „Ben und ich haben uns geküsst, damit scheinst du allerdings ein noch größeres Problem zu haben als ich selbst.“
Ben fühlte ein Ziehen in seinem Inneren. Es tat weh, Alex derart über den letzten Kuss sprechen zu hören, doch gleichzeitig stieg auch etwas Erleichterung in ihm auf, denn zum ersten Mal schien Alex seinem Vater die Wahrheit zu sagen.
„Hast du mich deshalb bestohlen“, hakte Jo streng nach, „und alles so aussehen lassen, als ob Ben es gewesen wäre? Weil du ein Problem mit deinen ... neuen Gefühlen ... hast?“
Er klang überzeugt von seiner neuen Ansicht, obwohl Alex die Tat bislang noch nicht einmal zugegeben hatte.
„Nicht nur“, gab Alex knapp zurück.
Es waren nur zwei Worte, doch hinter dieser kurzen Aussage verbarg sich tatsächlich das erwartete Geständnis. Nun hatte Alex zugegeben, was er getan hatte, indem er seinem Vater nicht länger widersprochen hatte. Ben konnte förmlich spüren, wie eine enorme Last von ihm fiel. Er hatte nicht mehr mit Alex’ Geständnis gerechnet, vor allem nicht zu einem derart frühen Zeitpunkt. Immerhin verriet der Blonde sich dadurch nicht nur selbst, sondern zerstörte gleichzeitig die Lösung seiner Geldschulden.
„Dann erklär es mir gefälligst!“, forderte sein Vater Alex nachdrücklich auf.
„Nein“, gab Alex selbstbewusst zurück. „Das geht dich nichts an!“
„Ich bin immer noch dein Vater, Alex!“, entgegnete Jo wütend und klang dabei sogar ein wenig verletzt. „Deshalb geht es mich sehr wohl etwas an.“
„Du bist schon lange kein Vater mehr für mich“, erwiderte Alex nun etwas leiser. „Also lass mich einfach in Ruhe!“
Dann trat Stille ein. Ben konnte nicht einmal hören, ob sich einer der beiden entfernte. Vermutlich standen sie sich noch immer gegenüber, wussten sich allerdings nichts mehr zu sagen.
Ben konnte Alex’ Verhalten wieder einmal nicht einschätzen. Er wusste nicht, was er von der veränderten Situation halten sollte. Außerdem änderte Alex’ Geständnis nichts daran, dass Ben sich betrogen fühlte und deshalb nach wie vor enttäuscht von dem Blonden war. Natürlich
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