Wintermond (German Edition)
Geschmack wahr. Daraus schloss er, dass seine Lippe aufgeplatzt sein musste, da er genau mit seinem Gesicht auf einem winzigen, schneefreien Stück Asphalt aufgekommen war.
„Wichser ...“, fluchte Alex, leckte sich das Blut von den Lippen und richtete sich langsam auf. Als er endlich wieder aufrecht stand, klopfte er sich den Schnee von der nassen Kleidung. Sein Körper schmerzte wie bei einem heftigen Muskelkater. Ein letztes Mal spähte er in das Kneipeninnere, bevor er sich schließlich auf den Weg machte, um zu seinem Auto zurückzukehren.
Kapitel 5
Als Ben am frühen Morgen aufwachte, vernahm er ein leises Surren, das er zunächst nicht zuordnen konnte. Er rieb sich die Augen und versuchte das seltsame Geräusch zu orten, bis er schließlich seinen noch eingeschalteten Laptop auf dem Fußboden neben dem Bett entdeckte. Er gähnte und streckte sich. Unterdessen erinnerte er sich daran, wie er bis spät in die Nacht hinein an der Datenliste, die Jo ihm für das Entwerfen eines Gebäudes gegeben hatte, gesessen hatte. Mühselig tastete er nach dem Laptop und klappte ihn zu. Dann ließ er sich zurück in die Matratze sinken und schloss noch einmal seine Augen. Glücklicherweise war er jemand, der nur wenig Schlaf brauchte. Ansonsten würde er jetzt mit Sicherheit nicht aus dem Bett kommen. Er streckte noch ein letztes Mal seine Arme aus, bevor er sich abrupt aufrichtete und die warme Decke von seinem Körper schob. Augenblicklich begann er zu frösteln, da er über Nacht eines der Fenster aufgelassen hatte. Er verschränkte die Arme vor seiner Brust, damit möglichst wenig Kälte an seinen Oberkörper dringen konnte. Dann stand er vom Bett auf, zog die Vorhänge ruckartig zur Seite und spähte nach draußen. Neuer Schnee war über Nacht gefallen und hatte die Spuren des gestrigen Tages verschwinden lassen.
Ben wandte sich schließlich vom Fenster ab und schritt zu dem hölzernen Stuhl, der sich direkt neben dem Kleiderschrank befand. Auf ihm hatte er am Vortag seine Kleidung abgelegt. Er griff nach seiner Jogginghose und seinem Pullover und zog sich um. Noch immer hatte er sein Gepäck nicht ausgepackt und entschied sich deshalb dafür, dies jetzt zu machen, bevor er es womöglich gar nicht mehr tun würde. Er schüttete seine Tasche neben dem Kleiderschrank aus und begann daraufhin, die Sachen grob zu sortieren. Dann stopfte er sie in den Schrank und schloss danach die Tür. Als sie nicht ganz zuging, öffnete er sie ein weiteres Mal, presste seine Kleidung noch tiefer in den Schrank und schob die Tür erneut zu. Dieses Mal ließ sie sich einwandfrei schließen. Ben nickte zufrieden und ließ seine nun leere Tasche unter dem Bett, welches er noch eben glatt strich, verschwinden.
Er griff nach seinem Handy, ließ es in seine Hosentasche gleiten und machte sich schließlich auf ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen. Er beeilte sich dabei und war somit schnell fertig, um endlich joggen zu gehen. Wie jeden Tag brauchte er diese körperliche Betätigung, um sich später voll und ganz auf seine geistigen Herausforderungen konzentrieren zu können.
Er eilte die Treppe hinab und wollte gerade gehen, als Jo mit einer Kaffeetasse in der Hand aus der Küche trat.
„Guten Morgen!“, begrüßte Ben ihn höflich.
„Guten Morgen, Ben!“, entgegnete Jo.
Während Ben erst auf seine Kleidung, dann auf die Haustür deutete, erklärte er: „Ich wollt’ nur ’ne Runde laufen gehen.“
Er nahm sich Schal, Mütze und Handschuhe und machte sich damit startklar.
„Machst du das eigentlich jeden Morgen?“, fragte Jo interessiert.
„Wenn ich’s schaffe, ja“, erwiderte Ben lächelnd.
Jo nickte beeindruckt.
„Würde es dir was ausmachen, wenn du Sam mitnimmst?“, fragte er dann.
„Ich?“
„Ja, warum nicht? Wenn du sowieso raus willst, kannst du ihn doch sicher mitnehmen. Ein bisschen Bewegung würde ihm gut tun. Alex vernachlässigt ihn zunehmend in letzter Zeit“, sagte Jo und nippte an seiner Tasse.
„Ist Sam eigentlich Alex’ Hund?“, fragte Ben daraufhin.
Als wäre Bens Aussprechen des Namens eine Aufforderung gewesen, kam der besagte Schäferhund in jenem Moment aus dem Wohnzimmer gehuscht.
„Ja“, antwortete Jo und sah zu Sam herab, „er hat ihn sich nach dem Tod meiner Frau angeschafft.“
Jo sprach über den Hund wie über einen Gegenstand.
„Ich verstehe“, gab Ben leise zurück und rief Sam schließlich zu sich, „dann komm mal her, Sam!“
Der Hund gehorchte und wuselte
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