Wintermond (German Edition)
daraufhin, „dein Vater hat mich darum gebeten, Sam mitzunehmen.“
„Ach, was?“, fragte Alex und zog eine Augenbraue hoch. „Du bist kaum zwei Tage hier und tust schon alles, was mein Vater dir sagt?“
„Besser so, als auf niemanden zu hören und dabei vollkommen abzustürzen“, konterte Ben und versuchte erneut, sich an dem Blonden vorbei zu drängeln.
Doch dieser krallte sich daraufhin in Bens Pullover und drückte ihn für einen kurzen Moment fest gegen den Türrahmen. Alex schnaubte wütend und ließ schließlich wieder von Ben ab.
„Leg dich bloß nicht mit mir an!“, warnte er knapp, bevor er sich abwandte und zurück in die Küche verschwand.
Ben ließ sich jedoch nicht einschüchtern. Er hielt Alex’ Verhalten für lächerlich. Dennoch entschloss er sich aufgrund der Konfrontation dafür, sich vor dem Duschen mit etwas Leitungswasser zufrieden zu geben. Er hatte keine Lust mehr, in die Küche zu gehen.
Also trat er durch den Flur, eilte die Treppe hinauf und verschwand mit frischer Kleidung im Bad. Dieses Mal achtete er darauf, alles dabei zu haben, um nicht wieder mit nur einem um die Hüften gebundenen Handtuch über den Flur laufen zu müssen.
Als er etwas später mit dem Duschen fertig war, ging er zurück in sein Zimmer, griff nach seinem Laptop und setzte sich im Schneidersitz auf sein Bett. Er stellte den Laptop vor sich ab und fuhr ihn hoch. Dann startete er das Programm, das er zum Anfertigen der Skizzen von Jo bekommen hatte, und versuchte sich in die vielen Anwendungsmöglichkeiten und Buttons hinein zu fuchsen.
Er war so konzentriert in seine Arbeit vertieft, dass ihn erst sein knurrender Magen zurück in die Realität holte. Ben warf einen Blick auf die Computeruhr und sah, dass es bereits nach zwölf war.
Seine Augen brannten vom Arbeiten an dem grellen Monitor. Als er von dem flimmernden Bildschirm aufsah, wirkte alles um ihn herum für einen Moment lang dunkel und unscharf.
Er atmete tief durch, bevor er den Laptop ausschaltete und zur Seite schob. Er stand vom Bett auf und bog seinen Rücken im Stehen einmal kurz durch, bevor er sein Zimmer schließlich verließ. Im Flur konnte er bereits den verlockenden Geruch von etwas Würzigem wahrnehmen, woraufhin sein Magen erneut knurrte. In diesem Haus war es üblich, dass jeder sich morgens und abends selbst um sein Essen bemühte. So hatte Jo es ihm erklärt. Nur in seltenen Fällen, wie beispielsweise an dem Morgen nach Bens Ankunft, gab es einen reichlich gedeckten Tisch. Das Mittagessen war das einzige, auf das Jo tatsächlich Wert legte. Es war stets so, dass er aus der Liste seiner Lieblingsrestaurants etwas zu sich nach Hause bestellte. Preise spielten dabei keine Rolle.
Bens Hunger trieb ihn mit schnellen Schritten in das Esszimmer. Dort stand Jo am Tisch und füllte Nudeln, Fleisch und Soße aus chinesischen Verpackungen in Glasschüsseln um.
„Kann ich dir irgendwie zur Hand gehen?“, bot Ben seine Hilfe an.
„Nein, aber danke. Es ist schon alles fertig“, erwiderte Jo, während er die verschmierten Packungen mit dem Pinzettengriff nahm und in die Küche brachte.
Ben setzte sich und schenkte sich etwas Mineralwasser ein. Jo kehrte kurze Zeit später wieder zurück, füllte sein Glas mit Weißwein und ließ sich daraufhin erschöpft stöhnend auf seinem Stuhl nieder.
„Und?“, fragte er dann. „Bist du schon gut voran gekommen?“
„Ja, ich bin gerade dabei, mir das Programm und die ganzen Daten etwas näher zu bringen“, antwortete Ben lächelnd.
„Sehr gut“, sagte Jo und nickte zufrieden.
In genau diesem Moment trat Alex in die Küche und ließ sich gegenüber Ben nieder, blickte dabei verachtend in dessen Richtung. Seine Verletzungen zogen sich über die gesamte rechte Gesichtshälfte.
Ben fragte sich, wo sie wohl her stammten.
„Alexander!“, brach Jo plötzlich die Stille und klang streng. „Bitte sag, dass du dich nicht schon wieder mit irgendwelchen Leuten angelegt hast!“
„Wieso schon wieder?“, fragte Alex zurück, während er sich an dem Essen bediente.
„Nun ja, es ist ja nicht das erste Mal“, meinte Jo daraufhin.
„Das geht dich nichts an, Vater“, sagte Alex trocken.
Er nahm die Kelle, schöpfte Soße und verteilte sie über dem Fleisch auf seinem Teller.
„Wie du jetzt wieder aussiehst“, fuhr Jo fort und schüttelte ungläubig seinen Kopf. „Hat es was mit dem Geld zu tun, was du so dringend brauchst?“
Würde man das Verhältnis der beiden nicht kennen,
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