Wintermond (German Edition)
dass Ben die besagte Partie gewonnen haben musste und daraufhin etwas wie einen Wunsch frei gehabt hatte.
„Keine Angst!“, fuhr Jo ruhig fort. „Ich werde dir bezüglich dieser Angelegenheit keine Fragen stellen. Ich gehe davon aus, dass dir klar ist, dass ich dir im Normalfall niemals so viel Geld für etwas Unbekanntes aushändigen würde. Du kannst dich bei Ben dafür bedanken.“
Alex starrte seinen Vater fassungslos an. Er konnte nicht glauben, was er da hörte, und nicht verarbeiten, dass es nun plötzlich doch, und das völlig unerwartet, eine Lösung für sein Schuldenproblem zu geben schien.
„Du gibst mir 40.000 Euro?“, hakte Alex ungläubig nach. „Ist das dein Ernst?“
„Wie ich bereits sagte“, erwiderte sein Vater emotionslos, „kannst du dich dafür bei Ben bedanken.“
Alex konnte gar nicht recht fassen, was er soeben erfahren hatte. Jo schien tatsächlich bereit zu sein, ihm solch eine Menge Geld auszuhändigen und das nur, weil Ben ihn aufgrund einer gewonnenen Schachpartie darum gebeten hatte. Wieder einmal war es bemerkenswert, was Ben für Alex tat. Der Dunkelhaarige hätte sich alles Mögliche wünschen können, beispielsweise ein herausragendes Praktikumszeugnis, ein teures Fachbuch oder einen festen Ferienjob in Jos Büro. Doch stattdessen hatte er sich hintenangestellt und seinen Wunsch dafür genutzt, Alex zu helfen. Dafür war Alex ihm unglaublich dankbar. Doch gleichzeitig ließ Bens gute Tat sein schlechtes Gewissen nur umso stärker werden.
„Wann bekomme ich das Geld?“, fragte er Jo dann und versuchte dabei nicht allzu begeistert zu klingen.
„Morgen früh“, entgegnete sein Vater knapp.
Alex sah ihn noch eine Weile an, bevor er seinen Blick nachdenklich senkte. Eigentlich wollte er sich bei Jo bedanken, doch dafür fehlte ihm die nötige Courage. Außerdem war das viele Geld noch immer nur ein geringer Ausgleich für all das, was sein Vater ihm eigentlich schuldete.
„Das ändert jedoch nichts daran, dass ich enttäuscht von dir bin, Alex“, begann Jo streng und blickte ihn dabei gekränkt an. „Du hast mich wieder einmal belogen und Ben etwas wahrhaft Abscheuliches anzuhängen versucht.“
„Ich weiß“, erwiderte Alex ruhig.
„Und dann stiehlst du noch den Schmuck, der einmal deiner Mutter gehört hat“, sagte Jo und lachte pikiert auf. „Das ist wirklich abartig.“
Alex biss sich auf die Unterlippe. Er musste seinem Vater Recht geben.
„Aber das sieht dir so ähnlich“, fuhr Jo aufgebracht fort, „und ich hätte es wissen müssen. Doch was mache ich? Ich beschuldige Ben. Und warum?“, er pausierte kurz, trat einen Schritt näher auf Alex zu und hob seinen Zeigefinger in einer drohenden Geste. „Weil du mein Sohn bist und ich trotz allem, was bereits passiert ist, noch an das letzte bisschen Respekt in dir geglaubt habe!“
Alex starrte gen Boden, da er es nicht schaffte, dem vorwurfsvollen Blick seines Vaters standzuhalten.
„Du magst Ben, oder?“, traute er sich trotzdem leise zu fragen.
„Warum willst du das wissen?“, fragte sein Vater daraufhin.
„Er verkörpert doch genau das Ideal, das du dir immer bei mir gewünscht hast“, erwiderte Alex und blickte endlich wieder auf. Er fühlte sich miserabel, während er endlich das aussprach, was er schon lange Zeit dachte.
„Das ist doch Unsinn!“, tat Jo entsetzt ab. „Ich hätte mir nur gewünscht, dich von all deinen Problemen fernhalten zu können.“
„Du bist, wie du bist und ich bin, wie ich bin“, erwiderte Alex ruhig. „Wir müssen uns da nicht länger irgendwas vormachen.“
Eigentlich war Jo jemand, der nie sonderlich sentimental wurde, doch in jenem Moment bildete sich tatsächlich eine Spur von väterlichen Zügen in dessen Gesicht.
„Warum hast du mir nie gesagt, dass du Geld brauchst?“, fragte er dann.
„Hab’ ich doch“, erwiderte Alex und musste gleich darauf verzweifelt auflachen.
„Du hättest mir sagen sollen, wie dringend es ist“, entgegnete Jo gefasst.
Alex überkamen mit einem Mal unzählige Gefühle, die sich so wirr miteinander vermischten, dass er letztendlich den Überblick verlor. Er musste das Gespräch an dieser Stelle beenden, denn es begann ihn emotional herunterzuziehen.
„Ich muss jetzt gehen“, sagte er deshalb und wandte sich erneut zum Gehen um.
„Willst du zu ihm?“, fragte Jo daraufhin wieder gefühlskalt.
Diese Frage stach Alex wie ein Messer ins Herz. Er konnte förmlich spüren, was in Jo vorging, und wusste,
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