Wintermond (German Edition)
leider darauf angewiesen. Deshalb musste er die finanzielle Hilfe Jos zwingend von all den anderen Vorfällen trennen.
Er streckte seine Hand nach der Türklinke aus und verließ schließlich die Villa. Jos Blick spürte er noch so lange in seinem Rücken, bis er die Tür wieder hinter sich zuzog. Dann durchsuchte er seine Jackentasche nach seinem Autoschlüssel und öffnete daraufhin seinen BMW. Bevor er jedoch einstieg, schob er noch flüchtig etwas Schnee von den Seitenspiegeln und der Windschutzscheibe. Erst dann nahm er den Fahrersitz ein, steckte den Schlüssel in die Zündung und startete den Motor. Seine Wange brannte noch immer und erinnerte ihn dadurch kontinuierlich an das, was soeben geschehen war. Er fühlte sich respektlos behandelt, doch gleichermaßen war ihm der Ausrutscher seines Vaters relativ gleichgültig. So hatte er nur einen Grund mehr, Jo zu hassen. Außerdem bekräftigte es ihn in seiner Entscheidung, Ben aufsuchen zu wollen. Fortan sollte Jo der Letzte sein, von dem er sich jemals wieder etwas vorschreiben ließ. Es war ihm egal, dass sein Vater nun wusste, dass er schwul war. Vermutlich würde Jo sich nach dieser Sache sowieso kein weiteres Mal mehr in Alex’ Angelegenheiten einmischen.
Alex legte den Rückwärtsgang ein, blickte dabei in den Rückspiegel und rollte langsam aus der Einfahrt. Er blinkte links und bog so auf die Elbchaussee. Er kannte den Weg zu Bens Hotel und fuhr deshalb erst einmal eine Weile geradeaus. Nebenbei fummelte er sich eine angebrochene Packung Marlboros aus dem Handschuhfach. Dieses Mal war das Verlangen nach Nikotin einfach zu groß. Er drückte auf den Zigarettenanzünder und klemmte sich die Kippe zwischen die Lippen. Dann begann er zu rauchen und dabei gedankenverloren auf die Straße zu starren. Der viele Schneematsch ließ die sonst recht hübsche Chaussee dreckig und unansehnlich wirken. Es schneite jetzt schon seit Wochen. Die nötigen Kehrmaßnahmen hatten dazu geführt, dass sich am Straßenrand mittlerweile meterhohe Schneeberge gebildet hatten.
Nach etwas mehr als fünf Minuten lenkte er seinen Wagen rechts in die Behringstraße . Dann fuhr er langsam weiter, schaltete in den dritten Gang und zog zwischendurch an seiner Zigarette.
Der Streit mit seinem Vater schien derweil weit entfernt zu sein. Noch immer erinnerte ihn nur seine pochende Wange an das, was vorgefallen war. Doch Alex ignorierte den Schmerz.
Er bog noch ein paar weitere Male ab, bis er schließlich am Hahnenkamp ankam. Schon von weitem konnte er das besagte Hotel auf der linken Straßenseite sehen. Er hielt Ausschau nach einem freien Parkplatz. Glücklicherweise fand er schnell einen, der sich unmittelbar vor dem Hotel befand. Er fädelte sich rückwärts in die Parklücke und schaltete gleich darauf den Motor aus. Dann schnallte er sich ab und lehnte sich in seinem Sitz zurück. Seine Zigarette war längst aufgeraucht. Er öffnete die Fahrertür und warf sie nach draußen.
Unterdessen dachte er darüber nach, dass ihn nur noch wenige Meter von Ben trennten, und gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass er sich noch gar keine Gedanken darüber gemacht hatte, wie er dem Dunkelhaarigen überhaupt gegenübertreten sollte.
Alex atmete tief ein und pustete die aufgenommene Luft daraufhin langsam wieder aus. Mühselig versuchte er darüber nachzudenken, was er Ben sagen konnte, damit dieser ihn nicht gleich wieder nach Hause schicken würde. Doch ihm fiel nichts ein. Er war viel zu unerfahren in solchen Dingen und zudem nicht gerade einer der feinfühligsten Menschen. Da ihm auch nach weiteren Minuten nichts Sinnvolles einfiel, gab er schließlich auf und beschloss, es einfach auf die Situation ankommen zu lassen. Er nahm den Schlüssel aus der Zündung und stieg aus. Fast zeitgleich begann die Nervosität in ihn zurückzukehren. Sein Puls beschleunigte sich wieder und seine Hände begannen trotz der Kälte schwitzig zu werden. Nach außen hin versuchte er trotzdem gelassen zu wirken. Er schloss seinen Wagen und machte sich schließlich auf den Weg zum Hotel. Er ging bedacht langsam und konnte spüren, wie sein Herz mit jedem Schritt kräftiger gegen seinen Brustkorb hämmerte. Es war nicht weit bis zum Hoteleingang. Nur wenige Meter von seinem Wagen entfernt fand er sich schon vor diesem wieder. Nachdenklich betrachtete er die weiße Fassade und die kahlen Astschlangen, die sich zwischen den unteren Fenstern entlangschlängelten. Direkt darüber hing ein weißes Schild, auf dem in
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