Wintermond (German Edition)
Zeitpunkt, an dem seine Mutter verstorben war. Von diesem Tag an hatte sich alles geändert. Er hatte begonnen, nicht mehr viel Wert auf die Meinung seines Vaters zu legen. Dabei hatte er die für ihn vorgefertigten Fußstapfen, in die er nur noch zu treten brauchte, auf eine revolutionäre Art und Weise zu ignorieren versucht. Letztendlich hatte er sich auf einen eigenen Weg begeben und war, als schließlich auch noch sein bester Freund ums Leben gekommen war, dadurch auf die schiefe Bahn geraten.
Dann war Ben aufgetaucht und mit dessen beginnenden Praktikum in der Villa war etwas Altbekanntes in Alex zurückgekehrt. Es war Eifersucht gewesen. Plötzlich hatte er sich wieder als eine Rolle in der Familie erkannt und Jo als jemanden gesehen, den er sich als Vater wünschte. Die Eifersucht auf Ben hatte er als Hass interpretiert. Doch mit der Zeit, verursacht durch unzählige Situationen, hatte sich seine Ansicht über Ben geändert - in einem unauffälligen und schleichenden Prozess. Er hatte es selbst kaum mitbekommen. Erst jetzt, als es eigentlich zu spät war, wirkte alles so klar und deutlich.
Er hatte sich tatsächlich verliebt.
Dennoch hatte sein Verstand weiterhin gegen seine Gefühle gekämpft und aus genau diesem Grund hatte er Ben loswerden wollen - in der Hoffnung, dass diese seltsamen Gefühle zusammen mit dessen Auszug wieder verschwinden würden.
Doch so war es nicht. Es war anders als erwartet. Sogar schlimmer als erwartet.
Er fühlte sich weder befreit noch erleichtert. Stattdessen quälte ihn ein schlechtes Gewissen, weil er wusste, dass er Bens Praktikumsplatz zerstört hatte und verantwortlich dafür war, dass der Dunkelhaarige abgehauen war. Noch schlimmer war allerdings, dass er Bens Vertrauen missbraucht und sich dabei wieder einmal wie das letzte Arschloch aufgeführt hatte. Er fühlte sich schuldig und begann zu befürchten, dass Ben ihm dieses Mal nicht mehr verzeihen würde. Vermutlich würde er Alex nicht einmal mehr glauben. Der Gedanke daran, dass es nun endgültig vorbei sein könnte, war unerträglich. Er wollte Ben nicht verlieren und wünschte sich in jenem Moment nichts sehnlicher, als das Geschehene rückgängig zu machen.
Noch immer betrachtete er das Foto, das ihn und Ben zwischen den Duschkabinen des Poolzimmers zeigte. Es war noch immer merkwürdig, sich selbst mit einem anderen Mann in einer derart intimen Situation zu sehen. Daran musste er sich wohl noch eine Weile gewöhnen. Dennoch begann der Anblick des Bildes eine gewisse Sehnsucht in ihm zu wecken. Er wünschte sich in Bens Nähe und spürte dabei ein so heftiges Verlangen in sich aufkommen, dass er glaubte, in jenem Moment alles dafür zu geben, Ben noch einmal so nahe wie auf dem Foto sein zu können.
Er vermisste den Dunkelhaarigen regelrecht, was paradox war, da dieser erst vor etwa einer halben Stunde aus der Villa verschwunden war. Seine Sehnsucht wurde dennoch immer stärker und wuchs schließlich bis ins Unermessliche. Plötzlich begann eine enorme Energie in ihm aufzusteigen, weshalb er das Foto letztendlich unachtsam zur Seite warf und sich aufrichtete. Mit einem Mal fühlte er sich so wach, wie schon lange nicht mehr. Sein Verstand arbeitete klar und im Einklang mit seinen Gefühlen. Ihn packte eine feste Entschlossenheit, bezogen auf das, was er vorhatte. Er wollte Ben finden, ihn aufhalten. Er war sogar dazu bereit nach Flensburg zu fahren, falls dies irgendwann einmal notwendig sein sollte.
In einem rasanten Tempo begannen die verschiedenen Möglichkeiten, wie er Ben ausfindig machen könnte, durch seinen Kopf zu ziehen. Er spürte, wie sich sein Herzschlag vor Aufregung beschleunigte und sich der ungeheure Tatendrang bis in jede kleinste Muskelfaser vorarbeitete. Er begann sich kräftig und sicher zu fühlen. Jegliche Zweifel waren aus ihm verschwunden und zum ersten Mal konnte er sich voll und ganz auf seine Gefühle konzentrieren - ohne sich dabei selbst zu blockieren.
Er musste Ben finden, weil er ihn liebte und nun die Zeit gekommen war, ihm genau das zu sagen. Er hoffte, dass es derweil nicht zu spät dafür geworden war. Er musste sich dringend auf den Weg machen, denn er wollte keine weitere Sekunde verlieren. Doch zunächst einmal musste er herausfinden, wo Ben sich überhaupt aufhielt. Er begann scharf nachzudenken, allerdings fiel ihm keine gute Möglichkeit ein, an nützliche Informationen über Bens neuen Aufenthaltsort zu kommen.
Schließlich erhob er sich vollständig vom Bett und
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