Wintermond (German Edition)
entspannen und konnte sich plötzlich auf Gedanken einlassen, die man sonst nicht zuließ.
Genau so erging es auch Alex in jenem Moment. Deshalb fasste er nach weiteren Sekunden der Besinnung einen endgültigen Entschluss: Er wollte einen Neuanfang und die Dinge hinter sich lassen, die ihn belasteten. Darum musste er etwas an seiner Situation ändern - und zwar sofort.
Kapitel 21
Es war ein entfernt geglaubtes Geräusch von Schritten und ein undeutliches Klacken, das schwammig in Bens Gehörgang drang und ihn auf diese Weise langsam wach werden ließ. Müde drehte er sich von der Seite auf den Rücken und zog sich dabei die durchwühlte Decke zurück über den nackten Körper. Der erste Gedanke, der ihm kam, als sein Verstand allmählich zur Besinnung kam, war, dass er sich gut fühlte. Es war ein erfüllendes Gefühl von Glück und vollkommener Zufriedenheit.
Er musste lächeln und brachte es endlich fertig, seine Augen zu öffnen. Die Umgebung wirkte noch etwas verwischt und glich dabei einem übertrieben weich gezeichneten Foto. Blinzelnd blickte er sich um, bevor er sich schließlich etwas aufrichtete und seine Augen vom restlichen Schlaf befreite. Erst dann wandte er seinen Blick zur Seite und starrte irritiert auf den leeren Teil des Bettes neben sich. Sofort wurde sein Glücksgefühl durch ein unangenehmes Brennen ersetzt, das sich von seinem Magen aus in Richtung Kopf vorarbeitete. Er bekam Angst. Angst davor, dass Alex abgehauen sein könnte und damit all das, was sich gestern zwischen ihnen entwickelt hatte, zunichte gemacht wurde.
„Scheiße ...“, nuschelte er verschlafen und richtete sich nun vollständig auf.
Als er bemerkte, dass er nicht einmal eine Boxershorts trug, wurde ihm bewusst, dass er am Vorabend gleich nach dem Sex eingeschlafen sein musste. Trotz dieser Tatsache des frühen Einschlafens fühlte er sich noch immer recht geschlaucht. Die Müdigkeit hing wie Blei in seinen Gliedern und löste dabei eine enorme Lustlosigkeit in ihm aus. Vermutlich war sein erschöpfter Zustand darin begründet, dass er in den letzten Wochen oftmals nur sehr wenig Schlaf bekommen und gleichzeitig so viele Eindrücke aufgenommen hatte, dass diese Art der Überforderung nun die verspäteten Folgen mit sich brachte.
Ben hob seine Beine aus dem Bett. Er kniff seine Augen noch einmal kräftig zusammen, kratzte sich dabei am Hinterkopf und riss seine Lider schließlich gezwungen wieder auf. Dann richtete er sich auf und schritt zu seiner noch immer halb geöffneten Tasche. Neben dieser hatte sich ein chaotischer Klamottenberg angesammelt, bei dessen Anblick er sich sofort an den Vortag und damit an jene Situation zurückerinnerte, an der er flüchtig nach zwei Paar Handschuhen in der Tasche gesucht hatte. Bei dieser Erinnerung bildete sich ein müdes Lächeln auf seinen Lippen. Sein Verstand war noch nicht vollständig erwacht. Deshalb bückte er sich erst einmal und kramte neben einer Boxershorts noch Socken und ein frisches T-Shirt aus dem unordentlichen Klamottenberg. Während er sich daraufhin wieder aufrichtete und zurück zum Bett schritt, um sich sitzender Weise anziehen zu können, überkam ihn erneut ein kalter Schauer. Er verharrte einen Augenblick und horchte, ob er Geräusche aus dem Badezimmer hören konnte. Doch dort war es still. Alex schien tatsächlich nicht da zu sein. Das war etwas, mit dem Ben nicht gerechnet hatte. Er war nicht sonderlich empfindlich und reagierte nicht schnell über, doch diese Situation war vollkommen anders. Alex war nicht irgendein Kerl, den er am Vorabend aufgerissen hatte, und Alex war nicht Nick, der für kurze Zeit weg war, aber in jedem Fall wieder kommen würde. Nein, denn Alex war unberechenbar.
Ben streifte sich die Boxershorts über die Beine, zog sich die frischen Socken an und stand schließlich auf, um seine Jeans vom Fußboden zu heben. Er schlüpfte in die enge Hose, griff dann noch nach seinem weißen T-Shirt und zog es sich über den Kopf. Jetzt fühlte er sich schon etwas wacher. Als er bemerkte, dass es draußen noch dunkel war, zog er sein Handy aus der hinteren Hosentasche und warf einen flüchtigen Blick auf das Display. Es war gerade mal kurz nach sechs. Normalerweise war Ben frühes Aufstehen gewohnt, legte sogar sehr viel Wert darauf, doch an diesem Morgen war alles anders. Noch vor wenigen Minuten, direkt nach dem Aufwachen, hatte er sich ausgesprochen gut gefühlt und vor Euphorie gestrotzt, doch mit Alex’ Verschwinden hatte sich sein
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