Wintermond (German Edition)
Gemütszustand innerhalb weniger Sekunden radikal geändert. Er war enttäuscht, wütend und traurig zugleich. Ihm war klar, dass es neben seiner voreiligen Vermutung auch einen ganz simplen Grund für Alex’ Abwesenheit geben könnte, doch diesen Gedanken ließ sein Verstand nicht zu. Für ihn kam in jenem Moment nichts anderes in Frage, als dass Alex wieder einmal einen wortlosen Rückzieher gemacht hatte. Vermutlich war dieser vorschnelle Gedanke darin begründet, dass solch ein Verhalten typisch für den Blonden war und Ben das ganze Hin und Her mittlerweile schon zu oft miterlebt hatte. Deshalb ging er nun automatisch vom Schlimmsten aus, obwohl er eigentlich wusste, dass es auch eine einfache Erklärung für die aktuelle Situation geben könnte. Er wurde ungeduldig. Erst hatte die Enttäuschung überwogen, doch nun gewann ein Anflug von Wut die Überhand. Ben spürte ein Kribbeln in seinen Gliedern und begann nervös im Zimmer auf- und abzuschreiten. Nebenbei warf er noch einen Blick in das Bad, um sich ein weiteres Mal zu vergewissern, dass Alex nicht da war. Er konnte spüren, wie sich sein Herzschlag mit jeder Minute deutlich beschleunigte und Adrenalin durch seine Adern zu jagen begann. Er wollte nicht überreagieren, sondern abwarten, doch sein Körper reagierte wie von selbst mit der Ausschüttung von Hormonen auf die unangenehme Situation. Innerlich verfluchte er sich dafür. Er versuchte seine Atmung zu beruhigen, seine zu Fäusten geballten Hände zu entkrampfen, doch trotz all dieser Bemühungen verlor er den Kampf gegen die in ihm entstandenen Emotionen.
„So ein Scheißkerl!“, fluchte er laut.
Währenddessen entlud er einen Teil seiner Wut, indem er so kräftig gegen seine Tasche trat, dass sie umkippte. Dabei flog ein Collegeblock samt einem an dem Rand gehefteten Kugelschreiber aus ihr heraus.
Skeptisch verzog Ben sein Gesicht. Er konnte sich nicht daran erinnern, den Block in dieser Form in seine Tasche gelegt zu haben. Es sah fast so aus, als ob Alex ihn benutzt hätte. Irritiert bückte er sich und blätterte flüchtig ein paar Seiten um. Eine Nachricht konnte er jedoch nicht finden. Was er fand, waren lediglich all die Notizen, die er sich zu Beginn seines Praktikums für den erhaltenen Arbeitsauftrag von Jo gemacht hatte.
Er richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf und konnte spüren, dass er immer unruhiger wurde. Nervös fuhr er sich mit der flachen Hand über die Lippen und versuchte den in ihm aufkommenden Anflug von Panik zu unterdrücken. Er fühlte sich vollkommen hilflos und wusste nicht, was er tun solle. Sollte er hier, in dem Hotelzimmer, auf Alex’ Rückkehr warten oder ihn suchen gehen? Er war unentschlossen, weshalb er sich erst einmal wieder zurück auf das Bett setzte. Dabei spürte er das Handy in seiner Hosentasche, woraufhin er sein Becken noch einmal hob, um es an sich zu nehmen. Er wusste, dass er Alex’ Nummer besaß. Er hatte sie nach dem Vorfall im Garten in seinem Handy abgespeichert. Also könnte er Alex anrufen, allerdings war er sich nicht sicher, ob dies eine gute Idee sein würde. Er wollte dem Blonden nicht hinterher telefonieren, denn falls es doch einen triftigen Grund für dessen plötzliches Verschwinden geben sollte, wäre Bens Verhalten absolut übertrieben. Also entschied er sich dafür, weiterhin abzuwarten. Nervös biss er sich auf die Unterlippe, wippte hektisch mit seinem Fuß und tippte mit seinen Fingern immer wieder auf das schwach leuchtende Handydisplay. Ja, er wollte abwarten, aber er konnte es nicht. Er hielt es nicht aus, so sehr er sich auch zu beherrschen versuchte. Schon wieder begann er sich selbst zu verfluchen, während er schließlich doch das Menü seines Handys öffnete, um daraufhin nach Alex’ Nummer zu suchen. Doch in genau diesem Moment vernahm er erneut das seltsame Klacken, das ihn vor kurzer Zeit geweckt hatte. Erschrocken blickte er zu Tür und sah, wie sie sich öffnete. Er verharrte angespannt, während seine Daumen noch immer auf der Tastatur seines Handys ruhten.
Er konnte kaum glauben, als schließlich niemand anderes als Alex in das Zimmer trat und zeitgleich ein schüchternes Lächeln in seine Richtung warf. In seiner linken Hand hielt er eine Brötchentüte und einen Papphalter mit zwei Kaffees, in der rechten den Zimmerschlüssel.
Ben atmete tief ein und gleich darauf langsam wieder aus. Er war erleichtert wie selten zuvor. Jetzt, wo Alex wie selbstverständlich in der Tür stand, kam er sich
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