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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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ihre eiskalten Hände wärmende Gefäß zurück und schenke Rahel ein Lächeln, das diese voller Zuneigung erwiderte. »Ich kann dir nicht sagen, wie dankbar ich bin, dass du zu mir gekommen bist und mir all das erzählst. Das ist ein großer Freundschaftsdienst.«
    Rahel schüttelte den Kopf. »Das habe ich dir geschuldet … und irgendwie auch mir selbst. Du musst begreifen, dass du mit David nicht nur einen Mann samt Wolf bekommst, sondern auch jemanden, dessen Lebensgeschichte wahrscheinlich voller Fallstricke steckt.« Prüfend sah Meta ihre Freundin an. Mit wachsender Unruhe bemerkte sie, dass Rahel sich auf die Unterlippe biss, bevor sie weitersprach. »David fühlt sich ganz und gar nicht eins mit seinem Wolf, und das kann sehr gefährlich sein. Er hat sein Rudel verlassen - was ich kaum für möglich gehalten hätte -, er kümmert sich nicht um seinen Wolf... Du darfst nicht glauben, dass der Wolf leicht zu handhaben ist, zumindest nicht, wenn man aufhört, sich an die Regeln zu halten. Und die wichtigste Regel lautet: Lebe in einem Rudel, ganz gleich, wie klein es sein mag - oder wie verdorben. Die Wölfe brauchen einander, und sie brauchen einen starken Anführer, der den Schwächeren unter ihnen einen Weg in unsere Welt bahnt. Deshalb ist der Wolf hier: Er möchte Teil dieser Welt sein. So gesehen, hat David nicht Unrecht, wenn er den Wolf einen Dämon nennt. Denn wenn man anfängt, sich ihm zu entziehen, kann er genau dazu werden: eine fremde Macht, die Besitz von dir ergreift und ihre Forderungen stellt. Diesen Zwiespalt hält nicht jeder aus.«
    Hastig vergrub Rahel ihr Gesicht in ihren Händen, und Meta konnte ein zorniges Aufschnaufen hören. Erst nach einiger Zeit wagte sie es, die Frage zu stellen, die mit jedem Satz von Rahel dringender geworden war: »Was ist aus Augusten geworden?«
    Rahel wischte sich fast trotzig mit dem Ärmel über die Augen, dann sah sie Meta an, in ihrem Blick eine unerträgliche Mischung aus unterdrückter Wut und Trauer. »Als Augusten auf der Schwelle zum Mannsein stand, suchte eine Frau meine Familie auf - mein Bruder war ihr angeblich zufällig über den Weg gelaufen, und sie hatte erkannt, wie es um ihn bestellt  war. Sie klärte uns über sein Geheimnis auf und bot an, ihn zu ihrem Rudel mitzunehmen. Nach vielen zermürbenden Diskussionen gaben meine Eltern ihr Augusten mit, der zunächst überglücklich war. Vermutlich hatte er geglaubt, er könnte beides haben: ein Rudel und seine Familie. Doch die Anführerin war herrschsüchtig und sah es ausgesprochen ungern, wenn Augusten das Revier verließ, um uns zu besuchen.«
    Rahel hielt kurz inne, sie wirkte vollkommen aufgelöst und sah sich im Zimmer um, als suche sie nach etwas, an dem sie sich festhalten konnte.
    Unruhig rutschte Meta umher, unsicher, wie sie der Freundin helfen konnte. »Rahel«, sagte sie vorsichtig, »wenn es dich zu sehr verletzt … Ich möchte nicht, dass du alte Wunden aufreißt, nur um mir zu helfen.«
    Einen Augenblick lang fror Rahel jede Regung ein, als habe man sie gewaltsam aus einem Traum gerissen, dann sah sie Meta liebevoll an. »Es tut mir leid, aber nach all der Zeit schmerzt mich diese Geschichte immer noch unerträglich. Dabei sollte ich froh sein, jemanden zu haben, dem ich sie erzählen kann. Es ist grausam, seinen Bruder verleugnen zu müssen, weil alles, was seine Lebensgeschichte betrifft, ein einziges unausgesprochenes Geheimnis ist.«
    Bevor Meta einige tröstende Worte finden konnte, tätschelte Rahel ihr Knie. So saßen sie eine Zeit lang schweigend da, bis Rahel erneut zu sprechen begann, die Stimme wieder gestärkt. »Der Wolf ist, wie gesagt, ein Rudeltier und braucht die Nähe von seinesgleichen. Einer der Gründe für dieses Verlangen hängt damit zusammen, dass die Wölfe mental miteinander verbunden sind, Eindrücke und Erinnerungen austauschen können.«
    Meta riss die Hand hoch, um Rahel zu unterbrechen. Sie begriff nicht recht, was das eben Erfahrene genau zu bedeuten hatte. Die Vorstellung, dass jemand in Davids Erinnerung eindringen konnte, verwirrte sie. »Heißt das, andere Rudelmitglieder könnten von meiner Beziehung zu David wissen?« Allein bei der Vorstellung begannen ihre Wangen wie Feuer zu glühen.Was genau mochten die Rudelmitglieder von ihrer stürmischen Liebesbeziehung mitbekommen haben?
    Rahel nickte mitleidig. »An und für sich ist diese Gabe etwas Gutes, aus der das Rudel Stärke beziehen kann. Aber oftmals wird sie als Recht des Stärkeren

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