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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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bin ich Davids Wolf schon einmal zuvor begegnet … Er ist neben mir hergelaufen, als würde er zu mir gehören. Und so hat es sich irgendwie auch angefühlt.«
    Rahel sah sie lange Zeit nachdenklich an, bis sie schließlich sagte: »Dann verfügst du über eine Gabe, von der ich bislang nur Gerüchte gehört habe: Du kannst den Wolf rufen, obwohl er kein Teil von dir ist - deshalb flößt er dir keine Furcht ein. So wie ich den Wolf begreife, ist sein Hüter eine Art Portal, durch die er an unserer Welt teilhaben kann. Deshalb sind Menschen, die keinen Wolf in sich tragen, in den Augen des Dämons bestenfalls Beute.Aber es soll auch Menschen geben, die sich zu Portalen wandeln können, also nicht nur einen Dämon auf sich zu ziehen vermögen, sondern jeden beliebigen. Es ist also kein Wunder, dass David sich von seinem Rudel trennen und mit dir leben konnte. Ich befürchte, dass diese Gabe Geschenk und Fluch in einem ist.«
    Meta schüttelte verständnislos den Kopf.Warum sollte eine Gabe, die es ihr ermöglichte, mit David zusammen zu sein, ein Fluch sein?
    Rahel schien ihre Gedanken zu erraten, denn sie sagte: »Augustens Rudelführerin war äußerst besitzergreifend und eifersüchtig, obwohl sie es doch war, zu der er immer wieder zurückkehrte.Aber wenn Davids Wolf sich von dir angezogen fühlt, dann bist du für sein Rudel eine ernstzunehmende Konkurrenz. Und du weißt, wie sich Wölfe verhalten, die sich herausgefordert fühlen. Oder was passiert, wenn du einem Wolf begegnest, der deine Macht für sich in Anspruch nehmen will? So oder so bist du wahrscheinlich gefährdeter als jeder andere von uns.«
     

Kapitel 28
Dunkle Wege
    Nathanel versuchte, mit der Schuhspitze einen kleinen Stein zu treffen, es gelang ihm jedoch erst beim zweiten Mal. Die ohnehin spitzen Wangenknochen in seinem Gesicht traten stärker als sonst hervor und verwiesen die auffällig blaue Iris in zwei dunkle Höhlen. Nathanels Leib wirkte ausgezehrt, die Kleidung schlackerte um seine langen Glieder. Und trotzdem strahlte er eine vibrierende Energie aus, deren Quelle ungebrochen floss. Mit rot geränderten Augen sah er dem davonkullernden Kiesel hinterher, und selbst als dieser liegen blieb, konnte er den Blick nicht von ihm abwenden. Nach einer Zeit wurde es sogar dem stets stoisch dreinblickenden Anton, Maggies rechter Hand, zu langweilig, sich neben dem Mann die Beine in den Bauch zu stehen: Er gab ein Brummen von sich. Nathanel zuckte zusammen, sichtlich ungern aus seinen Gedanken gerissen. »Dieses Herumrennen ist nichts mehr für mich«, erklärte er lakonisch.
    Anton hielt sich mit einem Kommentar zurück, denn er war viel zu erfahren, um den älteren Mann falsch einzuschätzen. Allein, dass es Nathanel gelungen war, dieses Haus ausfindig zu machen, während Anton nicht einmal den Hauch einer Fährte hatte aufspüren können, verrieten die Macht und das Können, die in diesem verbrauchten Körper beheimatet waren.
    Nathanel legte den Kopf in den Nacken und betrachtete das leerstehende Haus, das im fahlen Licht des Nachmittags  einen besonders deprimierenden Eindruck machte. Die Stille des Sonntags machte das Ganze nicht unbedingt besser; es fehlte der typische Autolärm. Während er das Haus eingehend musterte, stellte er allerdings fest, dass die Zeit des Verfalls offensichtlich vorüber war.Von einigen Tagen waren hier viele Leute ein und aus gegangen.Vermutlich würden schon bald die Vans eines Sanierungsunternehmens vorfahren, um der alten Stadtvilla mit der verstaubten Fassade zu neuem Glanz zu verhelfen. Eine schöne Vorstellung.
    Nathanel konzentrierte sich kurz und stellte fest, dass weder Jugendliche noch Obdachlose die Chance genutzt hatten, um ein Fenster einzuschlagen und ihre Herrschaft über das verwaiste Gemäuer auszurufen.Vermutlich lag es daran, dass dieses edle Wohnviertel seine Jugend auf Internate schickte und den in dieser Stadt dünn gesäten Stadtstreichern und Junkies die schicke Umgebung auf den Magen schlug. Kein Wunder, dass die mächtigen Rudel nie versucht hatten, sich Maggies hübsches Viertel unter den Nagel zu reißen: Es entsprach überhaupt nicht dem idealen Jagdrevier.
    Obwohl die beunruhigende Aura, von der das Haus umgeben war, alles zu dominieren drohte, schlich sich unvermittelt noch eine andere Fährte in Nathanels Wahrnehmung. Auf seinen schmalen Lippen deutete sich ein Lächeln an. Nicht, dass Jannik eine Chance gehabt hätte, seine Anwesenheit vor ihm zu verschleiern.Aber er war zumindest

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