Wintermond
Anton zur Tür hinaus, richtete er den Blick wieder auf David. Auf dessen Stirn bildete sich eine tiefe Falte, so dass sich die Verletzung auf der Braue gefährlich spannte.
»Wenn du diese Frau retten möchtest, wird dir nichts anderes übrigbleiben, als dich Hagen zu stellen, das müsste dir doch mittlerweile klargeworden sein«, sagte Nathanel, während David sich an dem rohen Dachgebälk hochzog. »Niemand anderes aus dem Rudel ist in der Lage, ihm die Stirn zu bieten. Nur du und ich verfügen über die Gabe, unseren Wolf auszusenden.«
»Warum schickst du dann nicht einfach deinen Wolf, damit er mit Hagen abrechnet?«, fragte David mit rauer Stimme. Die Zurechtweisung hatte offenkundig seinen Zorn geweckt. »Bei mir fällt es dir schließlich auch so leicht, mich auf meinen Platz zu verweisen.«
Weder Nathanels Miene noch Gesten sagten etwas über seine Empfindungen aus, als er antwortete: »Mein Wolf ist dir nicht überlegen, David. Das weißt du genau. Du ordnest dich mir unter, weil du es willst, weil du dich nach einer Vaterfigur sehnst. Dieser Wunsch verrät mehr über dich, als dir lieb sein kann, denn er macht dich berechenbar.«
David schüttelte den Kopf, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. »Das ist mir im Augenblick, ehrlich gesagt, scheißegal. Ich werde jetzt zu Meta gehen und dafür sorgen, dass sie die Stadt verlässt. Such dir jemand anderen, der deinen Tyrannenmord begeht. Frag doch Anton, vielleicht hat der für diesen Blödsinn Zeit.«
Ehe David auch nur einen Fuß vor den anderen setzen konnte, knurrte Nathanel ihn an. Als gehorche sein Körper einem ungeschriebenen Gesetz, hielt David in der Bewegung inne und sah den alten Mann zornig an.
»Im Augenblick ist Hagen noch bei Maggie, und sie gehen gemeinsam die Grenzen zu Saschas Revier ab«, erklärte Nathanel ungerührt. »Wir haben also noch ein wenig Zeit, bevor Hagen sich seiner Herzensangelegenheit widmet und deiner Süßen vorführt, wozu ein Rudelführer in der Lage ist, der sich zurückgestoßen und betrogen fühlt.«
»Das klingt so, als wäre Hagen ein gekränkter Liebhaber. Dabei bin ich nicht der Erste, der dem Rudel unter seiner Führung den Rücken zugedreht hat.Wenn du mich also entschuldigst? Ich habe schon genug Zeit damit verschwendet, hier Löcher in die Luft zu starren, anstatt mich um Metas Sicherheit zu kümmern. Für ein Schwätzchen mit dir werde ich sicher nicht das Risiko eingehen, dass Hagen schon mal ein Begrüßungskommando zu Meta schickt.«
»David, fällt es dir wirklich so schwer, zu erkennen, dass du für Hagen nicht irgendein beliebiges Rudelmitglied bist?« David winkte nur mit der Hand ab und ging auf die Tür zu, die zur Stiege führte. »Du hast einmal Convinius gehört. Dein Ziehvater hat dir nicht nur eine seltene Gabe mit auf den Weg gegeben, sondern dir auch einen unauslöschlichen Stempel aufgedrückt, so, wie Eltern es nun einmal zu tun pflegen.«
Als der Name Convinius fiel, verharrte David. Fluchend fuhr er sich mit den Händen durchs Haar und drehte sich dann Nathanel zu, der offensichtlich mit dieser Reaktion gerechnet hatte. Ohne es steuern zu können, huschte der Schatten des Wolfes über Davids Haut und hinterließ ein glühendes Prickeln.
»Was, zum Teufel nochmal, hat Convinius mit dieser Geschichte zu tun? Nathanel, wenn du bloß versuchst, mich hinzuhalten, dann vergesse ich meinen Respekt und breche dir das Genick, bevor dein verfluchter Wolf mich auch nur zwicken kann.«
Ein Lächeln stahl sich auf Nathanels Gesicht, aber die ausgemergelten Züge verwandelten es in eine unheimliche Grimasse. »Entspann dich, wir haben genug Zeit, denn Hagen wird sich auf keinen Fall um das Vergnügen bringen lassen, dein Weibchen höchstpersönlich einzufangen.«
»Sie heißt Meta!«
Nathanel zuckte mit der Schulter: »Meinetwegen. Für mich gleichen sich die Menschen, als wären sie lediglich Schatten. Im Gegensatz zu dir habe ich mich noch nie für sie interessiert.« Als David zu einem Protest ansetzen wollte, schaute er ihn streng an, und der Gewohnheit gehorchend, schwieg der junge Mann. »Ich will dir etwas über Convinius’Vergangenheit erzählen. Das hätte ich vermutlich schon viel früher tun sollen, dann wäre uns dieses ganze Elend vielleicht erspart geblieben. Nun, es war nicht mein erster Fehler, wenn ich es recht bedenke.«
Nathanel schwankte leicht, dann hatte er sich wieder in der Gewalt. »Hättest du dich nicht in einem Haus mit einer netten Sitzecke
Weitere Kostenlose Bücher