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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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auf, dennoch blieb die Hand auf Davids gekrümmtem Rücken liegen. »Tut mir leid, aber ich sitze hier schon seit einer Ewigkeit vollkommen nutzlos herum. Das macht mich echt wahnsinnig.« Zwar klang Janniks Stimme brüchig, aber es schimmerte bereits Freude darüber durch, seinen Freund wieder bei sich zu wissen.
    »Was genau meinst du mit Ewigkeit?«, fragte David, der sich behutsam aufsetzte.
    »So lange, wie es gebraucht hat, bis Nathanels Wunde aufhörte zu bluten und die Lache unter ihm fast versickert ist.«
    »Jannik, verflucht!«
    David würgte erneut, zunehmend ungeduldiger mit seinem Körper, den er einfach nicht unter Kontrolle bekam. Alles in  ihm drängte voran in dem Wissen, dass er Meta unbedingt rechtzeitig erreichen musste. Die Vorstellung, Hagen könnte ihm bereits zuvorgekommen sein, ließ er gar nicht erst zu.
    Währenddessen plapperte Jannik weiter, beinahe so, als entlade sich nun alles, was sich in den letzten Wochen angesammelt hatte. »Ich weiß, das klingt hart, aber ich glaube, für Nathanel war es besser so. Sein Körper wollte nicht mehr - um das zu erkennen, musste man echt kein Genie sein. Aber ich habe es so richtig hautnah mitbekommen, weißt du. Nathanel hat sich an mich gebunden, schwer zu beschreiben. Er hat sich an meinen Wolf drangehängt, weil er Bescheid wissen wollte, wenn ich Kontakt zu dir aufnehme. Das habe ich natürlich bleiben lassen, ich wäre ja wohl ein Scheißfreund, wenn ich mich als Wanze missbrauchen ließe. Aber so eine Verbindung ist keine Einbahnstraße, verstehst du? Ich habe auch etwas von Nathanel mitbekommen. Na ja, eigentlich mehr von seinem Wolf. Es ist schrecklich zu wissen, dass man voneinander getrennt wird. Nicht so wie die Nummer, die du draufhast, sondern endgültig getrennt. Nichts mit gemeinsam in die ewigen Jagdgründe und so. Ich weiß jetzt Bescheid.«
    Ohne aufzublicken, holte David aus und verpasste Jannik einen leichten Schlag vor die Brust. Der junge Mann schrie auf, nahm es seinem Freund aber nicht weiter übel.
    »Vielleicht gibt es nur für den Wolf keine ewigen Jagdgründe. Es wäre doch schrecklich, wenn man diesen Dämon nicht einmal durch den eigenen Tod loswürde.«
    »Wie kannst du nur so etwas Bescheuertes sagen?«, erwiderte Jannik hitzig und entlockte David damit ein leises Lachen. »Du willst deinen Wolf ja bloß loshaben, damit er dir nicht länger die Ohren vollwinselt, wenn du mit deiner Meta ins Bett gehst.«
    »Oh Mann, Jannik«, brachte David mühsam hervor, während sich seine Rippenbögen aus unterdrücktem Lachen schmerzhaft zusammenzogen. Gleichzeitig war er Jannik für seine unbekümmerten Worte unendlich dankbar, denn mit ihnen kehrten auch die Lebensgeister zu ihm zurück. Als er sich schließlich stark genug fühlte, hob er den Blick und suchte den Boden des Speichers nach Nathanels Leichnam ab.
    Es musste mitten in der Nacht sein, denn durch die Dachluke sah man lediglich ein sternenloses Schwarz. Jannik hatte die Deckenlampe angeschaltet, aber der schwache Schein reichte nicht annähernd, um den weitläufigen Speicher auszuleuchten. Trotzdem konnte David mühelos die Umrisse Nathanels erkennen, über dessen Oberkörper und Kopf Jannik etwas ausgebreitet hatte, vermutlich seine Jacke.Außer der dunklen Lache, die sich unter dem Leichnam ausgebreitet hatte, bot der Anblick keinen Schrecken.
    Zu seinem Erstaunen konnte David ihn tatsächlich ertragen, ohne an Schuldgefühlen zu zerbrechen. Die würden sich zweifelsohne noch früh genug einstellen. Allerdings verspürte er das Verlangen, zu Nathanel zu gehen, die Jacke zurückzuschlagen und herauszufinden, in welcher Farbe die Augen nach seinem Tod wohl leuchteten. Doch dann besann er sich eines Besseren. Niemand, den er kannte, war mit seinem Wolf so verschmolzen gewesen wie Nathanel. Er war sogar so weit gegangen, sich für das Wohlergehen seines Rudels zu opfern.
    Während David seine steifen Schultern in der Hoffnung bewegte, bald wieder aufstehen zu können, fiel ihm etwas anderes ein: »Wo steckt eigentlich Anton?«
    »Der Sack«, sagte Jannik ächzend, offenkundig ein paar unangenehme Erinnerungen verdrängend. »Der hat mich abgefangen, als ich nachschauen wollte, was Nathanel oben auf dem Dachboden treibt. Hat mich eingefangen wie eine streunende Töle. Na ja, wahrscheinlich darf ich mich nicht beschweren, war auch ein wenig dämlich von mir, mich so dicht ranpirschen zu wollen. Nachdem er jedenfalls Nathanels Leichnam  gesehen hat, meinte er, dass sich

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