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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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zu David durchzudringen, ihm etwas mitzuteilen. Doch David lehnte sich vor Erschöpfung bloß gegen eine Häuserwand und schloss die Augen. Das Einzige, was er jetzt wollte, war, dass der Schatten ging und nie wieder zurückkehrte. Als habe der Wolf ihn erhört, verschwand er.
    Kurz darauf schloss Jannik endlich zu ihm auf, packte ihn beim Ellbogen und zog ihn behutsam voran. »Was rennst du denn so, Mann? Du bist im Gesicht weiß wie ein Laken.Wenn du vor Metas Tür zusammenklappst, ist auch niemandem geholfen.«
    David nickte unwillig, ließ aber zu, dass Jannik ein langsameres Tempo vorgab. Einige Minuten später tauchte das Haus auf, in dem David die letzten Wochen so unbeschwert ein und aus gegangen war.
    »Siehst du was?«, fragte David, die Stimme heiser vor Ungeduld.
    »Nein, nichts beim Haus selbst. In der Nachbargasse sind irgendwelche Wolfsspuren … schon ein bisschen älter und nicht aus unserem Rudel. Eigentlich solltest du das besser draufhaben als ich, mein Freund.«
    David ging nicht darauf ein, sondern wandte sich dem Hund zu, der zwischen ihnen beiden Platz gemacht hatte. »Na, Burek, was meinst du: Ist hier jemand, dem wir besser nicht begegnen sollten?« Der Rüde legte den Kopf schief und wedelte freundlich. »Das heißt wohl, dass Hagen sich hier nicht hat blicken lassen. Sonst wäre Burek wohl kaum so locker drauf.«
    »Warum rufst du nicht einfach deinen Wolf und gehst auf Nummer sicher?« Jannik klang direkt spöttisch. »Du hast Panik, richtig? Mann, ich kann es nicht glauben: Du hast Hackfleisch aus Mathol gemacht und Nathanel besiegt, aber du traust dich nicht, deinen Wolf zu rufen.«
    »Du hast keine Ahnung, wovon du sprichst«, erwiderte David leise und warf Jannik einen Blick zu, der den jungen Mann zurückweichen ließ. Dann ging er auf die Haustür zu, deren Schlüssel noch immer in seiner Hosentasche steckte. Auf dem Flur begegnete ihnen der alte Herr von unten auf dem morgendlichen Gang zum Bäcker. Höflich zog er den Hut.
    »Heute sogar mitVerstärkung unterwegs?«, fragte er freundlich, um dann Bureks struppiges Fell mit einem kritischen Blick zu mustern. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit war der Hund mit ihnen in das Haus gekommen.
    Metas Wohnungstür war intakt, und als David die noch im Dämmerlicht liegende Diele betrat, stieg ihm sogleich der wohlige Duft entgegen, den er in den letzten Wochen mit dem Wort Zuhause verbunden hatte. Das war, bevor Tillmanns Rachegelüste alles zerstört hatten. Ein hastiger Blick auf die Garderobe verriet, dass Meta nicht daheim war, denn der Mantel, den sie seit Anfang November trug, hing nicht an seinem Platz. Obwohl es ihr gar nicht ähnlich sah, war sie anscheinend in aller Herrgottsfrühe in Richtung Galerie aufgebrochen.
    Jannik drängelte sich an David vorbei, dicht gefolgt von Burek, der schnurstracks ins Wohnzimmer lief und sich dort ohne Zögern auf das Sofa legte. »Mag sie keine Möbel, oder warum ist das hier so leer?«, fragte Jannik und verschwand in Richtung Küche, woher schon eine Sekunde später das Aufschnappen des Kühlschranks zu hören war.
    Eigentlich wollte David sofort wieder aufbrechen, doch die vertrauten Räume lockten ihn. Ehe er sich versah, stand er im Schlafzimmer. Das Bett war immer noch mit der lavendelfarbenen Wäsche bezogen wie vor einigen Tagen, und bei dem Gedanken, dass sich dort noch die Spuren von ihnen beiden vermischten, zog sich sein Magen schmerzend zusammen. Ein Blick in den Kleiderschrank verriet, dass seine Sachen unangerührt an Ort und Stelle hingen. Nur der Rosenstrauß auf der Kommode, der am Samstag nicht ausgewechselt worden war, erinnerte daran, dass ihr gemeinsames Leben auseinandergebrochen war: Die verwelkten Blätter waren abgefallen und lagen verstreut auf dem weiß lasierten Holz.
    David fuhr sich mit der Hand über die Augen und hielt einen Moment inne. Dann blieb sein Blick an seinem Spiegelbild hängen. Ein verwilderter und zerschlagen aussehender Mann sah ihm entgegen, die Augen tief in den Höhlen liegend, das Gesicht verunstaltet von Schlieren verkrusteten Blutes. Unvermittelt blitzte die Vorstellung auf, wie er in einem solchen Zustand Meta in der Galerie gegenübertrat und sie davon zu überzeugen versuchte, dass er sie in Sicherheit bringen musste. Ein schattenloser Irrer, vor dem sie ohne Zweifel voller Furcht zurückweichen würde. Hastig lief er ins Badezimmer, um seinen Kopf unter den Wasserhahn zu halten.
    In der Zwischenzeit hatte Jannik es sich mit einem

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