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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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sein Job damit erledigt hätte, und ist einfach abgezischt. Kaum zu glauben, was?«
    Zu Janniks sichtlicher Unzufriedenheit blieb David ihm eine Antwort schuldig. Stattdessen betrachtete er die nackte Glühbirne, die von einem herabhängenden Kabel baumelte. »Keine gute Idee, hier oben Licht anzumachen«, sagte David schließlich tonlos.
    Jannik schnaubte ungeduldig. »Ja, klar. Kannst du dir ungefähr vorstellen, wie gruselig das ist, mit einemToten und einem Bewusstlosen, der schreit und sich krümmt, im Dunkeln zu sitzen? Wenn die Nachbarn nichts Besseres zu tun haben, sollen sie doch meinetwegen die Bullen rufen.«
    »Das meine ich nicht.« Davids Blick hing bereits wieder an Nathanel. »Das Haus steht auf dem Grundstück zurückgesetzt und ziemlich für sich. Das mit dem Licht bekommt keiner mit. Aber die Elektrizität ist Schrott. Ein Kurzschluss, und die Bude könnte abfackeln.« Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, fasste David einen Entschluss. Sie würden Nathanels Leichnam nicht den neugierigen Blicken anderer überlassen. Für das Schickimicki-Paar, das dieses Haus beziehen wollte, würde es nach den Geschehnissen ohnehin wertlos sein.
     

Kapitel 33
Am Scheideweg
    Im diesigen Licht der Morgendämmerung schlugen die Flammen empor, dem sanften Schneefall trotzend. Er hatte die Straße in eine weiße Decke gehüllt, auf der sich nun brennendes Rot spiegelte. Mit einem tosenden Lärm griffen die Flammen um sich und spien Rauchschwaden in den grauen Himmel. Das trockene Holz des Dachstuhls hatte das Feuer beflügelt, doch das Mauerwerk der unteren Etage hatte seinen Ehrgeiz empfindlich gebremst. Zwar fraß es sich durch Treppen und Holzböden, aber seine Macht reichte nicht aus, das alte Haus zum Einsturz zu bringen.
    Erleichtert stellte David, der mit Jannik im Schatten eines Nachbarhauses stand, fest, dass das Feuer auch nicht auf den Garten übergriff. Der wochenlange Regen und der eingekehrte Frost boten den gierig züngelnden Flammen keinen Weg, um noch weiteres Unheil zu stiften. Obwohl er sich sagte, dass es ihn nichts mehr anginge, hoffte David, dass das Haus wieder saniert und nicht einfach abgerissen werden würde. Trotz des Anblicks der rotglühenden Zerstörung fühlte es sich nach wie vor richtig an, Nathanel auf diese Weise bestattet zu haben. Letztendlich war das Haus nur ein weiteres Opfer des Dämons geworden. Und so, wie es aussah, würde David noch etwas ganz anderes opfern müssen, bevor der Tag zu Ende ging.
    Als die Feuerwehr sich in Stellung gebracht hatte und auch die ersten Polizeiwagen vorfuhren, machten die beiden Männer sich wortlos auf den Weg. Burek, der draußen auf die Wiederkehr seines Herrchens gewartet hatte, war zuerst überglücklich auf sie zugestürzt, hatte seine Begrüßungsgesten aber sogleich eingestellt, als er die bedrückte Stimmung wahrnahm. Also hatte er die Rute eingezogen und sich an Janniks Beine geschmiegt, was dieser mit einem beruhigenden Brummen belohnt hatte.
    Bis zu Metas Wohnung würden sie ein paar Straßen weit laufen müssen, und der Gedanke daran, was ihn dort wohl erwartete, schnürte David die Kehle zu. Die Vorstellung, Meta wieder gegenübertreten zu müssen, war fast so erschreckend wie das Bild einer verlassenen Wohnung, in der ein Netz aus Fährten von einer gewaltsamen Entführung erzählte. Dass Hagen Meta, wenn er sie erst einmal in seinen Fängen hatte, Gewalt antun würde, daran hegte David keinen Zweifel. Unwillkürlich verfiel er in einen Laufschritt, doch die Anstrengung des Wandels und die Furcht drohten ihm die Atemluft zu rauben. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen, und er stolperte fast über die eigenen Füße.Während er wankend zum Stehen kam, spielte er mit dem Gedanken, jene Kraftquelle in seinem Inneren anzurufen, die für das ganze Elend verantwortlich war.
    Aber er widerstand: Der Wolf hatte sich losgerissen und Nathanel getötet. David fühlte sich besudelt, und das Wissen, dass der Mörder dieses Mannes in ihm hauste, trieb ihn fast in den Wahnsinn. Und wenn er auch die Macht des Dämons nun mehr als je zuvor in seinem Leben brauchte, war er fest entschlossen, sich von ihm loszusagen.
    Kaum war dieser Entschluss gereift, überkam David unwillkürlich das Gefühl, als sammle sich alle Lebensenergie im Zentrum seines Leibes. Aber sie floss in seinen Schatten, der in die Gestalt eines Wolfes hinüberwechselte. Der Wolf blieb vor ihm stehen, die Schnauze bebend vor Anspannung. Dringender als je zuvor versuchte er,

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