Wintermond
ihren Wolf gerufen«, erklärte Maggie, die die Auseinandersetzung teilnahmslos beobachtet hatte, »aber er ist ihr nicht gefolgt. Der Dämon weiß, wann er einem überlegenen Gegner gegenübersteht.«
»So geht das meinem Wolf ständig«, warf Jannik mit einem überdrehten Kichern ein.
»Willkommen in der Königsklasse«, sagte Sascha, als habe der schmale Junge niemals den Mund aufgemacht. All seine Aufmerksamkeit war auf David gerichtet. »Begreifst du jetzt, dass es deine Bestimmung ist, Hagen herauszufordern?«
»Du kannst mich mal«, erwiderte David, hielt den Blick jedoch gesenkt, als wäre er mit den Gedanken woanders.
Angesichts dieser Anmaßung pochte Saschas Schlagader an seinem breiten Hals wie wild, und seine Nasenflügel zeichneten sich scharf ab, als er tief Luft einsog. »Du willst dich der Herausforderung, gegen Hagen anzutreten, also nicht stellen? Der Wolf ist dir gleichgültig, du willst nicht einmal seine Hilfe annehmen, um der Fährte dieser Frau zu folgen, um die sich - laut Maggie - bei dir alles dreht? Nun, dann verrate ich dir mal etwas: Deine Freundin ist seit gestern Morgen nicht mehr in dieser Wohnung gewesen. Hast du eine Ahnung, was das bedeutet?« Während sich auf Davids Gesicht eine aschfahle Blässe ausbreitete, verzogen sich Saschas Mundwinkel tatsächlich zu einem grimmigen Lächeln. »Hagen hat sie längst in seinen Klauen. Und wir kennen ihn alle gut genug, um zu wissen, was er mit ihr anstellen wird.«
Als David in Richtung Wohnungstür stürmen wollte, packte Sascha ihn im letzten Augenblick und schleuderte ihn zu Boden. David schlug schmerzhaft auf der Seite auf und schlitterte weiter, bis der Esstisch ihn stoppte. So schnell es ging, kam er wieder auf die Beine, aber ein dräuender Schatten hatte sich bereits vor ihm aufgebaut.
»Ruf deinen Wolf zurück«, forderte David Sascha auf. Da der bloß mit den Schultern zuckte, erkannte David, dass nicht Sascha, sondern Maggie der Schatten fehlte. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag in den Magen.
»Was soll das, verflucht?«
Obwohl Maggie aussah, als bewahre sie lediglich ein schmales Band vor dem endgültigen Auseinanderbrechen, erwiderte sie Davids verzweifelten Blick. »Hagen wartet im Park auf dich. Eigentlich hatte er diese Frau bloß geraubt, um dich in die Knie zu zwingen. Aber jetzt, da er weiß, was Nathanel zugestoßen ist, will er deinen Tod.«
»Anton hat also keine Zeit damit verloren, Hagen auf die Nase zu binden, was auf dem Dachboden geschehen ist.« Obwohl ihm eher danach zumute war, vor Verzweiflung zu schreien, stieß David ein bitteres Lachen aus. Der Schattenwolf tänzelte bei diesem unerwarteten Geräusch leicht zurück, das schemenhafte Gebiss gefletscht.
Maggie nickte, dann machte sie eine elegante Bewegung, woraufhin der Schatten zu ihr zurückeilte. »Hagen ist ganz gebannt von der Vorstellung, dich in seine Gewalt zu bringen. Es geht ihm um viel mehr, als dich einfach nur zu töten und damit einen ernstzunehmenden Rivalen loszuwerden: Da er dich nicht zähmen kann, will er dich brechen.« Mit jedem Wort sackten ihre Schultern ein Stück weiter hinunter. »Es tut mir unendlich leid, David, aber das ist meine einzige Möglichkeit, um mein Rudel zu retten. Als ich Sascha treffen wollte, war Hagen wie im Wahn. Er ist so besessen von dir, dass er gar nicht auf die Idee kommt, ich könnte ihn in eine Falle laufen lassen. Im Gegensatz zu Nathanel, der meine Pläne sehr wohl erkannt hat.«
»Dann hast du also nicht nur vor, aus mir und Meta Opferlämmer zum Wohlergehen deines Rudels zu machen, sondern du hast auch Nathanels Entscheidung hingenommen, sich von mir zerfleischen zu lassen?«
»Nathanel verstand, dass es nur diesen einen Weg gibt, um Hagen endgültig aus dem Weg zu räumen«, erwiderte Maggie ungeduldig. Die Vorwürfe hatten wieder Leben in ihr Gesicht gebracht.
»Nein«, mischte Sascha sich ein. »Es gibt noch einen anderen Weg: Wenn es diesem engstirnigen Burschen hier nicht gelingen sollte, Hagen zu töten, wird mein Rudel die Angelegenheit übernehmen - so wie wir es abgesprochen haben, Maggie.Wir haben uns bereits an der Grenze gesammelt. Hagens Rudel mag uns zwar zahlenmäßig überlegen sein, aber unsere Wölfe sind stark und nicht bloß verwildert. Am Ende dieser Nacht werden wir das Gleichgewicht zwischen den Rudeln wiederhergestellt haben. Nur, dass es entweder einen Toten oder sehr viele geben wird. Hagens Clan muss auf die richtige Größe gestutzt werden.«
Maggie
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