Wintermond
und ihr eine Wasserflasche hinhielt, verspürte sie einen ausgeprägten Widerwillen. Die Gesichtszüge verrieten Härte, und um den Mund lag ein Zug, als geriete dieses Lächeln auch angesichts von Abscheulichkeiten nicht ins Wanken. Mit einem tonlosen »Danke« nahm Meta die Flasche entgegen, öffnete sie jedoch nicht, obwohl ihr Rachen vor Durst schmerzte.
»Mein Name ist Amelia, und ich glaube, als Hagens Gefährtin muss ich mich für sein grobes Benehmen entschuldigen«, fuhr die Frau fort. »Manchmal vergisst er, dass man mit seinem Hab und Gut vorsichtig umgehen muss.«
Amelia war so dicht herangetreten, dass ihr Parfüm in Metas Nase stieg: ein Duft nach Lilien und Opium. Süß, beinahe klebrig verseuchte er die Atemluft. Meta musste den Kopf zur Seite drehen. Amelia verstand diese Geste falsch und gab ein beruhigendes Geräusch von sich. Sanft strich sie Meta eine Haarsträhne hinter das Ohr und ließ dann die Hand auf ihrer Schulter ruhen.
»Das, was zwischen dir und David passiert ist, hat mir gefallen«, erklärte Amelia flüsternd. »Da war so viel Leidenschaft zwischen euch … Es war das reinste Vergnügen, Zeuge eurer Vereinung zu werden.«
»Da hast du ja etwas, das dich mit Hagen verbindet. Der hat sich nämlich auch äußerst inspiriert gezeigt.« Obwohl es Meta gelang, Spott in ihre Stimme zu legen, fürchtete sie sich in Wahrheit vor dieser Frau. Etwas ging von ihr aus, etwas, das es ihr unmöglich machte, die Finger, die nun wieder über ihr Haar strichen, fortzuschieben. Feine Goldarmreife klirrten an Amelias Handgelenken.
»Weißt du, was ich mir wünsche?« Amelias Stimme klang verträumt, während sie ihre Stirn gegen Metas lehnte, sich zärtlich an sie drängte. »Dass Hagen deinen David nur unterwirft, aber nicht tötet. Dann würdet ihr beide uns gehören, wäre das nicht schön? Du hast etwas an dir … Ich kann es nicht beschreiben. Aber ganz gleich, was es auch ist, das dich so besonders anziehend macht, ich will es behalten.«
»Solltest du dann nicht bei Hagen sein und ihn davon abhalten, David vor lauter Rachsucht umzubringen?«
Mit einer trägen Bewegung löste sich Amelia von Meta, woraufhin die sogleich die Chance nutzte und zurückwich. Amelia fasste ihr braunes Haar im Nacken zusammen, während sie ernsthaft über Metas Frage nachzudenken schien. Schließlich nahm sie eine einzelne Strähne und kitzelte sich damit unter der eigenen Nase, so dass Meta ihre Frage beinahe wiederholt hätte. Doch Amelia kam ihr zuvor: »In den letzten Wochen hat sich bei Hagen alles nur noch um David gedreht. Dieser untreue kleine Bastard hat meinen bösen Wolf fast in den Wahnsinn getrieben. Es hat Nathanel und mich viel Überredungskunst gekostet, damit er nicht einfach in Maggies Revier eindrang, um ihn sich zu holen. Doch so herum ist es besser, so gehen die Rudelregeln mit dem Vergnügen zusammen.«
Erneut lächelte Amelia, und Meta sah ihren Verdacht bestätigt: Diese Frau genoss die Macht, anderen Qualen zuzufügen. Ohne den Blick zu senken, schritt Meta langsam zurück, und mit jedem Schritt war ihr, als könne sie wieder freier atmen. Amelia ließ sie gewähren, auch wenn ihr lauernder Blick verriet, dass sie ihr nur einen begrenzten Spielraum zugestand.
»Wenn Hagen tatsächlich solch einen Zorn auf David hegt und das Recht, ihn anzugreifen, auf seiner Seite ist, dann verstehe ich nicht, warum du Hagen nicht begleitet hast, sondern hier bist.«
Amelia machte ein paar Schritte auf Meta zu, so dass diese über den seltsamen Tanz, den sie beide aufführten, fast gelacht hätte. »Das verstehst du nicht, weil du deine eigene Gabe nicht begreifst. Du bist der Schlüssel zu David, und zwar nicht nur, weil er sich zu dir hingezogen fühlt. Hagen wollte nach seinem … wie soll ich sagen … nicht nach Plan verlaufenen Rendezvous mit dir zwar nichts davon hören, aber ich habe es begriffen: Du kannst den Wolf rufen.«
Als Amelia diese Wahrheit ausgesprochen hatte, zuckte Meta zusammen, da sie sich an Rahels Sorge erinnerte. Sollte sie jemandem begegnen, der ihre gerade erst entdeckte Fähigkeit für seine eigenen Zwecke missbrauchen wollte - was würde dann geschehen?
Amelia beobachtete sie forschend. »Ich sehe, dass wir uns verstehen«, sagte sie voller Befriedigung. »Tillmann hat dir bloß den Schattenwolf vorführen wollen, um David zu entlarven. Dabei hatte er keine Ahnung, was er mit seinem lächerlichen Racheplan in dir wecken würde. Aber warum hat David dich verlassen?
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