Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
Vom Netzwerk:
dieser Gesellschaft auch nicht viel geholfen.
    Trotzdem wollte es David nicht gelingen, sich still zu verhalten und einfach nur die cremefarbene Inneneinrichtung zu  betrachten, die den Charme eines Designerkatalogs ausstrahlte. Insgeheim ärgerte er sich darüber, dass Nathanel den Vorschlag, sich vor dem Penthouse zu postieren, abgelehnt hatte. David hatte keine Lust mehr, den beiden Männern zuzuhören: zu viel Internes, zu viel Politisches. Er wollte nicht Zeuge werden, wollte nicht darüber nachdenken müssen, was Hagen für ihre Zukunft plante. Es reichte ihm, davon zu erfahren, wenn aus den Plänen Realität geworden war.
    Nathanel nahm darauf keinerlei Rücksicht.Vielleicht war er auch der Auffassung, dass David sowieso nicht zuhörte, weil ihm diese zähe Unterhaltung voller Andeutungen und verwirrender Details gleichgültig war. Schließlich hatte er bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Absicht bewiesen, dass er weder Cleverness noch Ehrgeiz besaß. In diesem Augenblick aber wünschte sich David sehnlichst, so abgestumpft zu sein, wie man es ihm nachsagte. Er konnte seine Ohren einfach nicht vor dem Gespräch verschließen, ganz gleich, wie sehr er sich auch darum bemühte. Das Netz seiner Wahrnehmung war zu feinmaschig, unentwegt blieben Bruchstücke der Unterhaltung hängen.
    »Was Hagen vorhat, kann nur mit einem Blutvergießen enden«, erklärte Parlas gerade. »Er überspannt den Bogen schon viel zu lange, nicht nur mit seinen dunklen Geschäften. Will er Sascha wirklich herausfordern?«
    Verzweifelt konzentrierte David sich auf ein schlicht gerahmtes Ölgemälde, das eine üppige Nackte zeigte. Die Haut wies einen Stich ins fahle Grau auf, die Konturen wirkten zerlaufen. Die Augen der Frau waren geschlossen, jedoch nicht im Schlaf. Unwillkürlich tauchten Bilder vor Davids innerem Auge auf, Zeugnisse seiner Vergangenheit, die er sorgfältig verdrängt zu haben glaubte. Und nun … ausgeblutete Leichname, die Haut wächsern grau, auf grünem Grund liegend, mit seltsam verrenkten Gliedmaßen und klaffenden Wunden,  die den Blick auf ein verwirrendes Durcheinander in ihrem Inneren freigaben. Er spürte einen Druck im Magen, widerstand jedoch dem Bedürfnis, sich die Hand vor den Mund zu halten.
    »Sascha sollte das Ganze nicht so schrecklich eng sehen«, erwiderte Nathanel, wobei seine gesamte Aufmerksamkeit auf die aufsteigenden Blasen in seinem Wasserglas gerichtet war. Rene Parlas mochte unter Druck stehen und David nervös in seinen Jackentaschen kramen, doch Nathanel saß entspannt auf der tiefen Couch, umrahmt von einem Meer aus cremefarbenen Kissen. Er wirkte irritierend gleichgültig, trotz der unheilvollen Neuigkeiten. »Sein Haufen ist derselbe wie vor zehn Jahren, da tut sich doch nichts. Bei Hagen sieht das anders aus, er muss zusehen, wo er bleibt.«
    »Ich befürchte, dass ich Ihnen nicht folgen kann«, erklärte Parlas und schenkte Nathanel Wasser nach. Sein eigenes Glas stand weiterhin unberührt da.Vermutlich war ihm mittlerweile eher nach einem Drink zumute.
    Nathanel bedankte sich mit einem Nicken, dann sagte er: »Es ist doch nicht überraschend, dass Hagen seine Position stärken will, das liegt in der Natur eines Anführers. Sie zwingt ihn, immer einen Schritt weiter voranzugehen. Außerdem sehnt sich die Meute noch nach etwas anderem, wie wir beide nur allzu gut wissen.Wie soll Hagen die Bedürfnisse seiner Anhängerschaft also befriedigen? Es führt einfach kein Weg an der Vergrößerung des Reviers vorbei. Das als eine aggressive Herausforderung zu interpretieren, ist albern. Sascha würde sich an Hagens Stelle genauso verhalten.«
    »Ach, und weil Hagen angeblich bloß seiner Verantwortung als Anführer nachkommt, soll Sascha den völlig überzogenen Revieranspruch als naturgegebene Zwangsläufigkeit akzeptieren und einfach zurückweichen?« Parlas klang belustigt, aber die verkrampften Finger verrieten seine Angst.
    »Nun, er könnte natürlich auch darüber nachdenken, sich Hagen anzuschließen.«
    Bei diesen Worten konnte David ein Stöhnen nicht unterdrücken. Was Nathanel da vorschlug, war ungeheuerlich.
    Parlas fuhr erneut in seinem Sessel herum. Anklagend deutete er mit dem Zeigefinger auf David. »Der Kerl soll endlich still sein!«, forderte er, und seine Stimme überschlug sich.
    Mit einem Mal verspürte David den Wunsch, diesem Mann einen Schlag ins Gesicht zu verpassen, wenn auch nur, um endlich die Anspannung loszuwerden. Er trat einen Schritt vor und ballte

Weitere Kostenlose Bücher