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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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einmal mit den anderen treffen und einfach nur plaudern? Wenn du im Augenblick keine Lust hast auszugehen, könnten wir einen netten Abend bei dir zu Hause verbringen, ganz unkompliziert. Sagen wir Mittwoch?«
    Zuerst wollte Meta den Kopf schütteln. Der Gedanke, den gemeinsamen Freundeskreis in ihrem Wohnzimmer versammelt zu wissen, gefiel ihr so sehr wie die Vorstellung eines Zahnarztbesuchs. Aber Karl wirkte derartig hoffnungsfroh, und seine Züge nahmen dadurch etwas so Junges und auch Verletzliches an, dass sie seinen Vorschlag nicht ablehnen konnte. »Ein netter Abend bei mir, das klingt doch … nett.«
     

Kapitel 10
Frondienste
    David hob das Gesicht ein Stück weit an und senkte leicht die Augenlider, obwohl Mathol in seinem Rücken an der Wand der Lagerhalle aus Backstein lehnte. Unentwegt klimperte der kräftige Mann mit den Münzen in seiner Hosentasche, während er in einem nervenaufreibend schnellen Rhythmus ein Krächzen von sich gab. Ob es sich dabei um eine Marotte oder eine Taktik handelte, seine Umwelt zu reizen, ließ sich nicht sagen. David versuchte, das Geräusch nach Möglichkeit auszublenden, so wie er am liebsten den ganzen Mathol fortgewünscht hätte. Dieser Mann, dessen Visage nur aus gelben Hauern und einer fliehenden Stirn bestand, weckte in ihm eine tiefe Abneigung. Zwar hatte er bislang nur wenig mit Hagens favorisiertem Schläger zu tun gehabt, aber Mathols boshafte Ausstrahlung bestätigte ohne weiteres die Geschichten, die über ihn im Umlauf waren: ein gewalttätiger Choleriker, der keine besondere Aufforderung benötigte, um seinen niedrigen Bedürfnissen freien Lauf zu lassen.
    Eigentlich sollte man einem solchen Mann nicht den Rücken zudrehen, doch David kümmerte sich in diesem Augenblick genauso wenig um Mathol wie um dessen bessere Hälfte Leug. Dem drahtigen Mann mit den zurückgegelten schwarzen Haaren war die Wartezeit zu lang geworden: Er hatte sich an der Hauswand hinabgleiten lassen und döste nun, die Augen verborgen hinter dunklen Brillengläsern, in der Hocke.  Im Augenblick wurden seine Dienste, die darin bestanden, hinter Mathol aufzuräumen, nicht gebraucht. Seine schaufelgroßen Hände hingen entspannt über den Knien, das Gesicht verschwand im Schatten.
    Nathanel war vor gut einer Stunde zusammen mit einem nervösen Jannik in der Lagerhalle verschwunden, um sich dort mit dem Vorarbeiter zu besprechen, der einem schmutzigen, aber sehr lukrativen Nebengeschäft nachging. Genau aus diesem Grund waren sie zu fünft zur Feierabendzeit zum Hafen gekommen, und mittlerweile lag dieser Teil der Docks verwaist da. Im diesigen Licht, das von einigen entfernten Scheinwerfern ausging, dort, wo zu dieser späten Stunde noch Ladung gelöscht wurde, tauchte gelegentlich ein orangefarbener Kran über den Wellblechdächern auf.
    Mit der Dunkelheit war eine von Feuchtigkeit durchsetzte Kälte vom Wasser aufgestiegen, die auf Davids Lippen eine salzige Spur hinterließ. Zwar konnte er das Meer nicht sehen, aber wenn er sich konzentrierte, spürte er die wundersame Energie, die von ihm ausging. Er überließ sich ganz dieser Empfindung, allerdings nicht nur weil er das Meer mochte, sondern weil er damit auch dem aufdringlichen Mathol einen Strich durch die Rechnung machen konnte, der unentwegt seine Gedanken ergründen wollte. Nichts von dem, womit sich Davids Geist fast schon gegen seinen Willen ständig beschäftigte, ging diesen Mistkerl etwas an.
    Aber beliebig lang konnte er die Konzentration nicht aufrechterhalten. Dass sich die Verhandlungen so zäh in die Länge zogen, machte ihn langsam nervös. Er hätte darauf bestehen sollen, Nathanel zu begleiteten, so wie es eigentlich seiner Aufgabe entsprach. Jannik war doch anzusehen gewesen, dass er sich am liebsten in Luft aufgelöst hätte. Eine kaum ernstzunehmende Rückendeckung. Nathanel hatte jedoch nur abgewinkt. Die Sache, die er zu verhandeln hatte, war kompliziert - das regelte man besser in einer entspannten Atmosphäre. Und dafür war der harmlos aussehende Jannik besser geeignet. Trotzdem spielte David jetzt mit dem Gedanken, einfach in dieses fensterlose Lagerhaus reinzugehen und nach dem Rechten zu sehen.
    »Hey, du Schwachkopf«, erklang Mathols Reibeisenstimme verdächtig dicht hinter David. »Nathanel hat gesagt, du sollst hier warten. Oder hast du das schon wieder vergessen?« Er legte eine Hand auf Davids Schulter und griff schmerzhaft fest zu.
    Langsam drehte David sich um, darauf bedacht, möglichst

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