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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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sie kein Geräusch mehr von sich gab. Er sah das Bild ihrer Unterwerfung deutlich vor sich, der sich windende Frauenkörper, der plötzlich zusammenzuckte und dann still dalag. Als David begriff, wessen Vision er da gerade auszuleben gedachte, ließ er die Handgelenke der jungen Frau endlich los. Verfluchter Wolf!
    Verstört schnappte er nach Luft und behielt sie unnatürlich lang in den Lungen, während die Frau jammernd ihre Unterarme betastete. Zweifelsohne würden sie am nächsten Tag mit Blutergüssen bedeckt sein. Als sie David schließlich einen Blick zuwarf, war kein Trotz mehr zu entdecken, aber auch nicht mehr so viel Angst. Für die junge Frau waren die Fronten geklärt. David brauchte noch einen Moment, bis er sich wieder im Griff hatte, dann ging er mit der Gewissheit los, dass sie ihm folgte. Dabei war er froh um jeden Schritt, den er tun musste, und dankbar für die Kühle auf seinem Gesicht.
     

Kapitel 11
Lockruf
    Unruhig schlich Meta durch die Räume ihres Apartments. Das Bild, das David ihr geschenkt hatte, lehnte an der Wand in ihrem Schlafzimmer - so, wie es auch in seiner Wohnung gestanden hatte. Sie hatte sich fest vorgenommen, diesen Raum für den Rest des Tages zu meiden. Es brachte doch nichts, Stunde um Stunde dieses Bild vom Bett aus zu studieren, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was es wohl über seinen Schöpfer aussagte. Die zurückhaltenden Farben, das verlassene Gebäude … Schließlich konnte sie sich nicht einmal sicher sein, ob es überhaupt von David gemalt worden war.
    Und überhaupt: Dieses merkwürdige Geschenk verdrehte ihr immer mehr den Kopf. Aus einem One-Night-Stand mit unangenehmem Ausgang war mittlerweile eine Begegnung mit einem geheimnisvollen Mann geworden, nach dem sie sich mit geradezu lächerlicher Intensität sehnte. Das, was sie von David wusste - dass er ein jüngerer, leicht verwahrloster Mann war, dessen Körper alte wie neue Verletzungen aufwies und dem es auf unerklärliche Weise gelungen war, sie in dieser riesigen Stadt zu finden -, kam nicht mehr gegen das an, was sie für ihn empfand.
    Was empfand sie? Diese Frage versuchte Meta nach Kräften zu verdrängen. Das Ganze erschien ihr zu absurd. Wäre sie zwanzig Jahre älter gewesen, hätte sie dieses Gefühlschaos auf eine Midlife-Crisis schieben können, auf das Bedürfnis, sich  noch einmal aufzubäumen, bevor man sich eingestand, dass die wilden Zeiten endgültig vorüber waren.
    Obwohl die Sonne an diesem Morgen nicht mehr als ein milchiger Flecken am Himmel war, zog Meta auf ihren ruhelosen Gängen durch das weitläufige Apartment die meisten Vorhänge zu, da ihr das Licht in den Augen schmerzte. Der Halbschatten gefiel ihr, dämpfte das leuchtende Bunt, das mit Karl in ihrem Reich Einzug gehalten hatte. Ihr Blick fiel auf den Leuchter aus korallenrotem Murano-Glas an der Decke. Er lenkte von dem Art-déco-Paravent ab, der eine Landschaft in Pastelltönen zeigte - ein Erbstück ihrer Großmutter. So viel Lieblichkeit gehört gebrochen, hatte Karl erklärt. Gegen ihr Empfinden hatte Meta eingewilligt, dieses Monstrum aufhängen zu lassen. Als es dann bei der Einweihung Komplimente für dieses Arrangement geregnet hatte, hatte sich ein bitteres Lächeln auf ihre Lippen geschlichen.
    Eigentlich hatte Meta sich fest vorgenommen, die ersten eigenen vier Wände nur nach ihren Bedürfnissen einzurichten und dabei keinerlei Rücksicht auf irgendwelche Geschmacksrichtlinien zu geben. Schließlich verbrachte sie die meiste Zeit mit Menschen, die sich unentwegt darüber ausließen, was nun schick sei und was im Augenblick überhaupt nicht ginge. Deshalb wünschte sie sich dringend einen Ort, der abgeschottet von Zeitgeist und Gefallsucht war. Nichts, das einem Fragen stellte oder einen provozieren wollte. Nur Ruhe und Geborgenheit.
    Ihr Widerstand war beschämend schnell gebrochen. Tatsächlich hatte ein pikierter Blick von Karl auf das lavendelfarbene Sofa mit seinem anschmiegsamen Stoff gereicht, um bei Meta den Wunsch auszulösen, alle seine Verbesserungsvorschläge ohne Diskussion anzunehmen. Das Ergebnis bestand darin, dass sie sich wie eine Fremde in ihrem Zuhause vorkam. Überall stieß ihr Auge auf Elemente, die ihr nicht das Gefühl  vermittelten, ein Nest geschaffen zu haben. Nur in ihrem Schlafzimmer hatte sie sich nichts von Karls Geschmack diktieren lassen und es so eingerichtet, wie sie es sich wünschte. Mit dem Ergebnis, dass Karl keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen ließ, ihr das

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