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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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zustimmend genickt. Nur allzu gut konnte er sich ausmalen, wie der leicht erregbare Hagen darauf reagieren würde, wenn einer seiner Untergebenen es wagte, sich ein Leben außerhalb des Rudels aufzubauen. Und dann ausgerechnet David, an dem ihr Anführer ein solch besonderes Interesse zeigte, obwohl der sich so weit entzog, wie es der Dämon überhaupt zuließ.
    David hingegen hatte Nathanels Bedenken gut gelaunt beiseitegeschoben. »Was soll Hagen schon tun? Sich vielleicht dazwischenlegen, wenn ich mit Meta zusammen bin?« Er hatte gelacht, und Jannik hatte darin eingestimmt, weil er Davids Lachen einfach nicht widerstehen konnte.
    Nathanel hatte sie nur nachdenklich angeschaut. »Du solltest Hagen niemals unterschätzen, David. Er hat seine Position nicht umsonst inne. Entweder ordnest du dich unter, wie es deinem Rang entspricht, oder du siehst zu, dass du langsam auf eigene Füße kommst. Nur würde dir Hagen das wohl kaum durchgehen lassen, vor allem, wenn du ihm deinen Eigensinn so deutlich und vor dem ganzen Rudel auf die Nase bindest.«
    David hatte leichthin abgewinkt, obwohl die Lage zwischen ihm und Hagen angespannt war. Und seit diese Frau aufgetaucht war, hatte die Spannung merklich zugenommen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sich entladen würde. Jannik glaubte nicht, dass es dabei allzu gut für David aussah. Und wenn er sich jetzt vor lauter Übermut auch noch von einem seit seinem Schlaganfall veränderten Nathanel für eine dubiose Mission einspannen ließ … Darüber wollte Jannik lieber nicht nachdenken.
    Um sich abzulenken, musterte er seinen Freund, der so vergnügt war, dass Jannik fast neidisch wurde. Das Zusammensein mit dieser Meta hatte David unleugbar etwas geschenkt; er war regelrecht aufgeblüht. Seine Haltung war gelöst und voller Kraft, seine Hände gestikulierten beim Sprechen, anstatt zu Fäusten geballt zu sein. Und er lachte. Nicht dieses verbitterte Geräusch, das er ansonsten von sich gab, wenn er vorgab, dass ihm wieder einmal etwas gleichgültig war, was ihn in Wirklichkeit berührte. Es war ein echtes Lachen, volltönend und warm, doch mit dieser Zurückhaltung, die Davids Wesen bestimmte und seine Nähe so angenehm machte. Dieses Lachen  zu hören, fühlte sich an, als würde unter einem Wolkenrand goldenes Sonnenlicht hervorbrechen.
    Jannik war es äußerst peinlich, dass sein Freund solche Gefühle in ihm weckte. Um sich abzulenken und um ein wenig Aufmerksamkeit zu erringen, fragte er mit gespielter Pikiertheit: »Was ist das eigentlich für ein lächerliches Tuch, das du dir da um den Hals gewickelt hast?«
    David blinzelte verwirrt, dann zupfte er an dem ehemals grauen Stoff, der nun mit blassroten Schlieren übersät war. »Tja, da hatte jemand ein rotes T-Shirt in der Maschine im Waschsalon vergessen. Du solltest mal meine Bettwäsche sehen.«
    »Tief in dir drinnen bist du halt ein Hippie«, erklärte Jannik und wich einem nicht sonderlich ernst gemeinten Hieb aus.
    Schließlich verließen sie die breiten Straßen mit den glänzenden Fassaden und dem Sicherheitspersonal in jedem gläsernen Eingang. Die Gassen wurden schmaler und unscheinbarer. Auch hier wohnte wahrscheinlich kein Mensch. In dieser Gegend waren kleine Büros und Stehimbisse untergebracht. Trotzdem atmete Jannik auf. Hier fühlte er sich wohler.Wenn schon ein herrenloses Revier, dann wenigstens eins, das heimelig anmutete. Als ein paar kalte Tropfen durch seine Haare an die Kopfhaut drangen, legte er den Kopf in den Nacken und sah in den wolkenverhangenen Himmel. Ein echter Bilderbuchherbst, dachte er. Regen und Wind.
     Mit mehr Druck als nötig schubste David die Tür zu einem Bistro auf, dessen Tische größtenteils leerstanden. Der dichte Regenschauer verschlang das Tageslicht und ließ den verschnittenen Raum besonders kläglich wirken. Der Kellner, der von einem Barhocker aus die Wiederholung einer Sportsendung verfolgte, machte das Ganze nicht besser. Direkt an dem einzigen Fenster saß ein bulliger Kerl und verschlang etwas, das wie eine zusammengerollte Pizza aussah. Ihm gegenüber, mit dem Rücken zur Tür, saß eine Frau. Das feuerrot gefärbte Haar lag ihr in lackierten Wellen am Kopf an.
    »Hier riecht es plötzlich nach nassem Hund«, sagte sie, ohne sich umzudrehen.
    Jannik, der David auf dem Fuß gefolgt war, blickte sich unwillkürlich nach Burek um, doch der Mischling hatte es wie immer vorgezogen, vor dem Gebäude auf ihn zu warten. David schüttelte leicht den Kopf

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