Wintermond
wird alles nur schlimmer.«
Einen Moment lang blinzelte Meta verwirrt, dann meinte sie zu begreifen, was sich hinter Rinzos nur scheinbar spontan gehaltener Rede verbarg. »Nimmst du es mir etwa übel, dass ich eine eigene Künstlerin angenommen und auch verkauft habe?«
Von der Seite her ertönte ein verächtliches Schnauben - Eve hielt die versteckte Kritik an ihrem Herrn und Meister nicht eine Sekunde länger aus. Und so gern Rinzo auch das Wort führte, in diesem Fall überließ er seine Verteidigung lieber jemand anderem.
»Mal abgesehen davon, was diese provinzielle Kunst, die du angeboten hast, für den Ruf der Galerie bedeuten mag, ist dieses neue Gehabe von dir wohl eher Ausdruck einer vorgezogenen Midlife-Crisis. Es gelingt dir nicht, deinen Partner zu halten. Der Job, der nun einmal komplett deinen beschränkten Fähigkeiten entspricht, befriedigt dich nicht mehr. Du verletzt Menschen, mit denen du seit Jahren befreundet bist und die nur dein Bestes wollen. Außerdem hast du eindeutig zugenommen - ein sicheres Zeichen dafür, dass es dir schlecht geht.« Eve wiegte voller gespielter Traurigkeit den Kopf hin und her. Dann blickte sie zu Karl, der den Schlagaustausch mit einem solchen Interesse verfolgt hatte, dass es ihm nicht einmal gelungen war, Pikiertheit vorzutäuschen. »Karl, du solltest langsam einen Schlussstrich unter das ganze Elend ziehen. Bitte nimm Meta zurück, ja?«
Meta klappte der Unterkiefer nach unten. Fassungslos beobachtete sie, wie Karl den Blick senkte, um ein zufriedenes Lächeln zu verbergen. Zweifellos waren Eves Worte nach seinem Geschmack.Wahrscheinlich fand auch er es an der Zeit, dass seine widerspenstige Exfreundin einmal kräftig gedemütigt wurde, damit sie sich wieder schön brav fügte.
Bevor Meta auch nur ansatzweise ihre Sprache wiederfand, brach Emma in schallendes Gelächter aus. »So ein Blödsinn«, brachte sie atemlos hervor, um sogleich wieder von einer Lachsalve geschüttelt zu werden.
Meta wollte schon in das Lachen einstimmen, da drang Sues vom Auktionshaus gestählte Stimme zu ihr durch. »Hier ist … Besuch.« Das letzte Wort sprach Sue wie eine Frage aus.
Einen Schritt hinter Sue, die nervös ihre Hände aneinanderrieb, stand David. Ein ausgesprochen verwahrlost aussehender David in einer fleckigen Kapuzenjacke und zerschlissenen Jeans. Sein Haar war zerzaust, aber nicht auf eine lässige, beabsichtigte Weise. Unter seinen Augen zeichneten sich tiefe Schatten ab, die das Blau der Iris unnatürlich stark zum Leuchten brachten. Der dunkle Dreitagebart verlieh ihm etwas Verwildertes.
Zu ihrem Entsetzen bemerkte Meta mehrere Prellungen, die sich unter der braunen Haut abzeichneten. Marie beugte sich gerade vor, um besser sehen zu können, und ihre bestürzte Miene verriet, dass ihr die Verletzungen ebenfalls nicht entgingen. Die gesamte Gesellschaft starrte ihn mit hemmungsloser Neugierde an.
David ertrug die prüfenden, leicht fassungslosen Blicke ohne sichtbare Regung. Er stand einfach nur da, die Schultern herabhängend, als empfinde er eine tiefe Erschöpfung, die ihn gegen sämtliche Eindrücke immun machte. Seine Augen bestätigten diesen Eindruck, denn ganz gleich, wie sehr sie auch strahlen mochten, in ihnen herrschte eine kaum erträgliche Leere.
Mein Gott, was ist nur geschehen?, schoss es Meta durch den Kopf, und mit einem Schlag war sie auf den Beinen und lief zu David, der ihren Blick erst erwiderte, als sie dicht vor ihm stehen blieb. Sue nutzte die Gelegenheit und kehrte zu der Gruppe zurück.
David schluckte einige Male sichtbar, dann sagte er: »Tut mir leid, dass ich hier einfach so auftauche.« Unsicher hob er die Hand, und einen Augenblick lang sah es so aus, als wolle er ihr Gesicht berühren. Doch dann verharrte er mitten in der Bewegung. »Ich sollte besser wieder gehen.«
Meta wollte zu einer energischen Entgegnung ansetzen, ihm ohne Umschweife sagen, wie froh sie war, ihn zu sehen. Aber etwas an David war anders, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, so dass sie lediglich ein schwaches Kopfschütteln zustande brachte.Trotzdem schien er in diesem Raum die einzige wirklich existierende Person zu sein, und ihm wohnte eine Strahlkraft inne, die Meta unweigerlich anzog. Nur mit großer Mühe gelang es ihr, die Fassade zu wahren und sich nicht auf ihn zu stürzen, damit sie mit ihm verschmelzen konnte.
Rinzo, der dazugetreten war, nutzte den Moment allgemeinen Schweigens.
»Einer von deinen neu entdeckten Künstlern?«,
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