Wintermond
Hastig leckte sie das Rinnsal von ihrem Handrücken. »Hast du was dagegen, wenn ich einen Abstecher ins Schlafzimmer unternehme und feststelle, ob er auch knurrt, wenn man ihm den Bauch krault?«
Doch bevor Emma sich an ihrer Schwester vorbei in Richtung Schlafzimmertür aufmachen konnte, hatte diese sie so kräftig beim Oberarm gepackt, dass Emma empört aufkreischte. Trotzdem gab Meta nicht nach. »Für heute Abend habe ich genug von deinen Unverschämtheiten«, sagte sie mit Nachdruck in der Stimme.
»Kein Interesse daran, schwesterlich zu teilen?« Obgleich Emma sich um ein aufgesetztes Augenplinkern bemühte, stellte sie ihr Champagnerglas auf einer Konsole ab. Metas Reaktion hatte sie wohl doch mehr beeindruckt, als sie einzugestehen bereit war.
Meta wollte gerade zu einer passenden Replik ansetzen, da sagte Eve mit nachdenklich zusammengezogenen Augenbrauen: »Ich weiß, wer das ist: dieser unverschämte Typ aus der Galerie, der seine eigene Erektion als Geschenk für dich gemalt hat. Einer von deinen Künstlern.« Dabei sprach sie das Wort Künstler aus, als handle es sich dabei um etwas Abstoßendes. »Habt ihr beide diesen Auftritt eben geplant, war das irgendeine Art von Performance?«
Rinzo blinzelte sie begeistert an, aber Meta schüttelte den Kopf. Im nächsten Moment hätte sie sich ohrfeigen können, weil sie diese Einladung zu einer eleganten Ausrede einfach in den Wind schlug.
»Wenn er kein Künstler ist, was und wer ist er dann?«, fragte Karl mit so lauter Stimme, dass Meta befürchtete, David könne gleich wieder in der Tür auftauchen, wach gerufen vom Zorn, der in der Frage mitschwang.
»David ist …«, versuchte Meta sich an einer Antwort, kam jedoch nicht weiter. Sie spürte die Blicke der anderen auf sich, ahnte, was ihnen durch den Kopf ging.Was sollte sie tun? Eine Lüge wollte ihr einfach nicht über die Lippen kommen, dafür empfand sie zu viel für David, und ihr Schweigen wussten die anderen ohnehin zu deuten.
Karl schnaufte verächtlich. »Okay, das erklärt einiges. Das ganze Gerede über die Leere unserer Beziehung war nichts weiter als eine billige Hinhaltenummer. Du vögelst mit diesem Hengst herum, während ich mir den Kopf zerbreche, wie ich dich zurückgewinnen kann. Geht es dir um Rache, ist es das? Willst du mir beweisen, dass du immer noch begehrenswert bist? Ist der Kerl deshalb so jung?«
Meta spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Nie hätte sie Karl eine solche Gemeinheit zugetraut, auch wenn sie seine Selbstherrlichkeit ja kannte. Die Schadenfreude, die sie in den Gesichtern der anderen sah, machte ihr die Entscheidung leichter. »David ist ein ruhiger und zugleich aufregender Mann. Dass ich ihn heute Nacht nicht wegschicke, da er verletzt und durcheinander ist, liegt bestimmt nicht allein an seinen Qualitäten als Liebhaber.«
»Dein David ist ein mit Blut bespritzter, knurrender Irrer. Und ich habe mich vor dir im Staub gewälzt, weil ich eine Affäre mit Reese Altenberg eingegangen bin. Dabei hat Reese im Gegensatz zu diesem Knaben Stil, zumindest ist sie imstande, die zivilisatorischen Grundregeln zu befolgen. Oder liegt der Reiz bei diesem David genau darin, dass er sich wie ein Tier aufführt?«
Solange er gesprochen hatte, hatte Karl Meta wutentbrannt angestarrt, und sie hatte fast damit gerechnet, dass er zum Abschluss vor ihr auf den Boden spucken würde. In diesem Moment brach sie endgültig mit dem Mann, von dem sie einmal geglaubt hatte, er gehöre an ihre Seite. Und auch das ganze Theater, das ihre angeblichen Freunde an diesem Abend veranstaltet hatten, war ihr zuwider. Entgegen der jahrelangen Gewohnheit legte Meta ihre stets höfliche Maske ab und zeigte ihre Abneigung unverhüllt, als sie Karls Blick erwiderte.
Offensichtlich hatte er mit einer anderen Reaktion gerechnet. »Keine Erklärung?«
»Nein. Ich möchte, dass du jetzt gehst.Wir sind miteinander fertig.«
Karl stemmte die Hände in die Hüfte und ließ den Kopf hängen.Dann ging er schnurstracks zur Garderobe und schnappte sich seinen Mantel.An der Wohnungstür blieb er noch einmal stehen, während die anderen sich knapp bei Meta verabschiedeten, bevor sie ihm folgten. Nur bei Emma sah es einen Moment lang so aus, als könnte sie sich nicht recht zum Aufbruch entscheiden. Abwägend musterte sie ihre Schwester, hielt sich den Oberarm an der Stelle, wo Meta gerade erst fest zugepackt hatte, und hakte sich dann bei Karl unter, was dieser kaum zu bemerken
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