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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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abgelenkt worden, unentwegt ihr Handy zu belauern.
    Am Montag hatte David die Nachricht auf ihrer Mailbox hinterlassen, dass er sich in den nächsten Tagen wieder melden würde, weil sie bestimmt einiges um die Ohren hatte. Er hatte leicht verlegen geklungen, beinahe so, als wäre es ihm unangenehm gewesen, bei ihr anzurufen. Bei der Vorstellung, dass David sich nur aus Pflichtgefühl heraus bei ihr meldete, hatte sich jeder Quadratmillimeter von Metas Haut schmerzhaft zusammengezogen. Nachdem sie die Nachricht, in einer  Seitengasse stehend und eine Mappe mit Unterlagen zwischen die Knie geklemmt, noch drei weitere Male abgehört hatte, war sie jedoch zu dem Entschluss gekommen, dass er es lediglich unangenehm fand, ihr auf die Mailbox zu sprechen.Wahrscheinlich konnte er Telefone einfach nicht ausstehen, was auch erklärte, warum er kein eigenes besaß. Beschwingt hatte sie die nächste Weinhandlung betreten, um für den heutigen Abend zu ordern.
    Gegen ihre Gewohnheit hatte sie das Handy sogar während wichtiger Geschäftstreffen angelassen, um den nächsten Anruf von David sofort entgegennehmen zu können.Allerdings hatte er bislang keinen weiteren Versuch unternommen, sich bei ihr zu melden. Zwar war heute erst Mittwoch, doch sie konnte ihre zunehmende Nervosität einfach nicht ignorieren. Deshalb fiel es ihr auch schwer, wenigstens mit einem Hauch von Charme auf Karl zu reagieren, der eindeutig zu nahe an sie herangetreten war, um ihr über die Schulter zu schauen. Meta roch sein Aftershave, eine Note von frisch geschnittenem Gras. Angenehm, aber nicht betörend.
    »Kannst du dich noch erinnern, wo wir diese kobaltblaue Reisschale mit dem Kirschblütenmuster gefunden haben?«, fragte Karl in einem weichen Tonfall und deutete auf die gefüllten Schalen, in denen sich Avocadocreme, Salsa- und Currysaucen befanden. »Wir hatten uns für ein Wochenende ein altes Sportcabrio von Karol geliehen und sind einfach aufs Land gefahren. Zumindest so weit, bis der Auspuff abfiel. Wir hingen den ganzen Tag bei schönstem Sommerwetter in diesem öden Kaff fest, in dem das einzige Gute dieser Trödelladen war. Es war unglaublich, was man dort unter all dem Staub an wundersamen Dingen entdecken konnte. Später saßen wir beide mit staubigen Klamotten, aber höchst zufrieden in einem Fastfood-Restaurant. Das hatte ich schon fast vergessen.«
    »Ja«, sagte Meta, »das war ein schöner Tag.«
    Plötzlich überkam sie ein Anflug von schlechtem Gewissen, das ihr zuflüsterte, ihre Beziehung zu Karl in den vergangenen Wochen ausschließlich unter dem Banner seiner Affären und überzogenen Ansprüche gesehen zu haben. Ein berechnender, egoistischer Mann. Darüber hatte sie ganz vergessen, dass Karl tatsächlich auch sehr begeisterungsfähig sein konnte. Er hatte ein verblüffendes Gespür dafür, was gut war, und konnte sich dem Moment hingeben - zumindest wenn alle Komponenten perfekt zusammenpassten, fügte sogleich eine giftige Stimme hinzu. Das Wörtchen perfekt war so schrecklich wichtig für Karl.
    Als Karl vorsichtig seine Hand auf ihre Schulter legte, ergriff Meta hastig das Tablett und schenkte ihm ein freundliches Lächeln, das nur leicht schief geriet. »Nimm doch zwei neue Champagner-Flaschen aus dem Kühlschrank. Ich denke, Eve braucht noch ein Glas, damit ihr ständiges Gelächter wenigstens etwas ehrlicher klingt.«
    In Karls Blick schlich sich ein verletzter Zug, den Meta zuvor noch nie bei ihm gesehen hatte. Irritiert verharrte sie einen Augenblick lang, bevor sie endgültig in den großzügig geschnittenen Wohnraum zurückkehrte, wo Eve gerade wieder eine von Rinzos im Stehen vorgetragenen Anekdoten mit einem Lachen abschloss. Diese Frau hätte einen wunderbaren Anklatscher im Theater abgegeben, dachte Meta und verharrte kurz im Durchbruch, der das Ess- vom Wohnzimmer trennte.
    Nicht, dass Rinzo eine solche Unterstützung nötig gehabt hätte: Er war die Selbstsicherheit in Person und verfügte über das Grundvertrauen, dass alle Aufmerksamkeit quasi per Geburtsrecht ihm galt. Dem konnte nicht einmal seine kleine untersetzte Statur Abbruch tun, vielmehr betonte er die Züge seines Kugelkörpers mit engen Anzügen, spitzen Designerschuhen und - Meta konnte sich bei diesem Anblick stets nur mit Mühe ein Grinsen verkneifen - Einstecktüchern in Knallfarben. Man musste Rinzo allerdings zugutehalten, dass er tatsächlich einen hervorragenden Alleinunterhalter abgab, zumindest, wenn man selbst gern Stunde um Stunde

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