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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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cool als zickig«, erklärte sie leichtfertig. Dann wandte sie sich Karl zu: »Ich möchte auch ein Glas Champagner, sonst prickelt hier ja gar nichts.«
    Karl schüttelte den Kopf, als könne er so viel Dreistigkeit kaum ertragen, dennoch reichte er ihr ein Glas und schenkte ein.
    Meta war schon versucht, Emma vorzuschlagen, woanders ihren Spaß zu suchen, wenn es ihr hier zu langweilig war. Aber während sie das salzige Aroma der Nüsse auf ihrer Zunge schmeckte, musste sie sich eingestehen, dass der Abend tatsächlich langweilig war. Als wolle er das Ganze unterstreichen, begann Asam, von seiner Suche nach einem ordentlichen Fitnessstudio, das zusätzlich einen Parkservice anbot, zu erzählen.
    Voller Sehnsucht fixierte Meta ihr Weinglas, doch sie beherrschte sich. Den ganzen Abend über hatte Karl mit Argusaugen ihren Alkoholkonsum kontrolliert, als suche er nur nach dem Beleg, dass sie ohne seine stützende Hand durchs Leben taumelte. Nun wog Meta ab, was schlimmer sein mochte: dass Karl sie für eine verzweifelte Trinkerin hielt oder diesen Abend weiterhin nüchtern durchstehen zu müssen.
    Was war nur los mit ihr? Diese Art von Geselligkeit hatte zwar nie Begeisterungsstürme bei ihr ausgelöst, aber sie hatte es stets als gegeben hingenommen, dass solche Abende zu ihrem Lebensstil gehörten. Allerdings hatte es ihr wesentlich mehr Vergnügen bereitet, auf Rahels Sofa zu sitzen und über das Leben zu schwadronieren.Vielleicht sollte man sich seine Freunde doch nicht nach Äußerlichkeiten aussuchen, dachte Meta düster. Inzwischen riss Rinzo die Unterhaltung wieder an sich, weil er der Auffassung war, dass Asams Stimme bereits eindeutig zu lang erklungen war.
    »Deine Wahrnehmung ist eingerostet, mein Guter, weil du dich von frühmorgens bis spät in die Nacht nur mit deinen Rechtsanwaltskollegen und dieser schrecklichen Klientel umgibst«, erklärte er, rasch noch einen Cracker mit Champagner herunterspülend. »Nimm es mir nicht übel, aber Erbrecht … Das bringt nicht gerade die kreative Seite in einem Menschen zum Schillern. Schau mich an: Mein täglich Brot ist der Umgang mit Künstlern, Menschen, die es gewohnt sind, alles aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Das fordert immens, hält einen beweglich. Du verharrst, das ist dein Problem. Was du brauchst, ist Abwechslung, die wirkt Wunder.«
    »Und das von einem Mann, der seit zwanzig Jahren nicht mehr die Stadt verlassen hat«, sagte Meta und erschrak selbst über die Abgeklärtheit, mit der sie ihre Gedanken aussprach.
    Doch Rinzo schien unempfindlich für eine derartige Überführung. »Warum sollte ich? Diese Stadt ist perfekt, hier findet man einfach alles. Warum sollte ich also weggehen, wenn es die interessanten Mensch hierherzieht?«
    »Wahrscheinlich hast du Recht, Rinzo.« Obwohl Meta genau wusste, dass sie sich auf dünnes Eis begab, konnte sie nicht an sich halten. »Du weißt ja immer, was spannend ist. Außerdem spielt sich alles, was dich interessiert, komplett hier in deiner Manege ab. Und wenn du woanders hingehen würdest, würdest du bestimmt nur die gleichen Leute treffen - weil du alles andere einfach ausblendest.«
    »Sind wir ein wenig angefressen, meine Liebe?«, fragte Rinzo mit zusammengekniffenen Augen und war in diesem Augenblick alles andere als ein Zirkusdirektor voll kindlichem Elan.
    Von der Wohnungstür ertönte ein Klingeln, aber bevor Meta die Chance nutzen und sich der anbahnenden Auseinandersetzung entziehen konnte, sprang Sue mit einem nervösen Lächeln auf. »Ich geh schon. Das ist bestimmt der Fruchtsalat, den das Le Frog vergessen hat zu liefern«, sagte sie und eilte davon, als handelte es sich um die letzte Möglichkeit, einer Feuersbrunst zu entgehen.
    Rinzo, der sich von so etwas Profanem wie Türklingeln nicht beeindrucken ließ, strich mit den Fingern über seinen schmal getrimmten Schnurrbart. »Ich bin mir durchaus bewusst, dass deine persönliche Lage in der letzten Zeit etwas angespannt ist«, setzte er mit einem kurzen Seitenblick auf Karl an, den Ton schon wieder gemäßigter, als erteile er einen wohlwollenden Rat. »Aber du solltest dich deinem Liebesleid stellen, anstatt die festen Ankerpunkte in deinem Leben zu torpedieren und alles infrage zu stellen. Du verhärtest zusehends, weil du außerstande bist, schöpferisch mit dem Kummer umzugehen. Deshalb überträgst du dein Elend auf andere Bereiche deines Lebens, weil du mit einem Mal denkst, dort etwas ändern zu müssen. Glaub mir, dadurch

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