Wintermord
war?«
»Ich weiß nicht.« Sie zögerte. »Ich könnte mich nächste Woche noch mal bei Ihnen melden, nachdem ich mich mit den Vorsitzenden der Stiftung in Verbindung gesetzt habe. Margareta Folkesson, die Vorsitzende, ist gerade im Urlaub und ...«
»Bis nächste Woche kann ich nicht warten«, fiel Gonzales ihr ins Wort. »Es handelt sich um eine Mordermittlung, und es ist von höchster Wichtigkeit, dass die Angaben, um die wir Sie bitten ...«
»Oh, okay.« Auf einmal klang sie ganz kleinlaut, und Gonzales bereute seinen Ton sofort. Sie versuchte ja wirklich, ihm zu helfen.
»Es fällt Ihnen also niemand anders ein, der mehr wissen könnte?«, fragte er versöhnlich.
»Doch, allerdings«, sagte die Frau nach ein paar Sekunden. »Sie könnten sich mit unserer Verwaltungsangestellten in Verbindung setzen, Greta Larsson. Die hat eine Ewigkeit für die Stiftung gearbeitet. Sie war jahrelang als Sekretärin mit einem ganz ähnlichen Aufgabenbereich an der Volkshochschule tätig. Vielleicht kann sie Ihnen weiterhelfen.«
»Können Sie mich bitte zu ihr durchstellen?«
»Das geht leider nicht, sie hat heute frei ...«
»Dann brauche ich ihre Privatnummer.«
Am anderen Ende wurde es wieder still.
»Wie gesagt, es handelt sich hier um eine Mordermittlung, und ich habe das Recht ...«
»Ja, ja, einen Augenblick ...«
Als sie zurückkam, hielt er Zettel und Stift parat.
Nach dem zehnten Klingeln meldete sich ein Mann, der sich wie ein Hundertjähriger anhörte. Er teilte ihm mit, dass Greta Larsson einen Spaziergang um den See mache und erst in ein paar Stunden zurückerwartet werde. Aber sie habe ihr Handy dabei. Er selbst liege ja den Großteil des Tages im Bett, das Herz wolle nicht mehr so recht.
Als Gonzales Greta Larsson auf dem Handy anrief, meldete sie sich fast sofort mit einem schrillen »Hallo?«
Nachdem er sich vorgestellt hatte, stieß sie erst einen tiefen Seufzer aus und lachte dann. »Mein Gott, hab ich einen Schreck gekriegt. Sie müssen wissen, ich habe mir dieses Handy angeschafft, weil mein Mann Gunnar so krank ist und ich immer für ihn erreichbar sein muss. Wenn ich in der Arbeit bin, kommt jeden Tag der Pflegedienst, aber wenn ich frei habe, bin ich auch ganz gern mal ein bisschen in der Natur. Außer Gunnar hat ja niemand diese Nummer ...«
»Ich verstehe, Frau Larsson.«
Man musste sich schon behaupten, um in einem Gespräch mit dieser Frau zu Wort zu kommen. »Ich rufe Sie an, weil ich ein paar Fragen zu einer Schülerin habe, die vor zwölf Jahren die Volkshochschule Stensjön besucht hat. Es wäre natürlich verständlich, wenn Sie meine Fragen nicht beantworten könnten, aber ich möchte trotzdem einen Versuch machen. Es wäre uns eine große Hilfe, wenn Sie sich an irgendetwas erinnern. Sie hieß My Granith.«
»Hm ... kommt mir irgendwie bekannt vor«, murmelte sie nachdenklich.
Das hat doch alles keinen Zweck.
»Wie sah sie denn ungefähr aus? Ich habe nämlich wirklich ein gutes Gedächtnis für Gesichter. Damals war ich für die Schüler alles Mögliche: Studienberaterin, Sozialarbeiterin ... Na ja, Sie wissen ja, wie die jungen Leute so sind.«
»Auf dem Bild, das ich hier habe, hat sie gefärbte schwarze Haare und einen Ring in der Nase. Ich könnte Ihnen ein Foto per ...«
»Nein, ich weiß schon!«, schmetterte Frau Larsson dazwischen, und Gonzales zuckte zusammen. »Sagten Sie Granith? Ja, ich weiß noch ganz genau! Das ist natürlich lange her, aber der Grund, warum ich mich so gut an sie erinnere, ist der, dass ich so einigen Kummer mit ihr hatte, um es mal milde auszudrücken.«
»Kummer?«, wiederholte Gonzales und spürte, wie er den Hörer auf einmal krampfhaft umklammerte.
»Na ja, wissen Sie, mir oblag auch die Verwaltung des Internats. Und sie mietete sich dort ein Zimmer, das sie erst bewohnte, dann zog sie aus, dann zog sie wieder ein ... Kaum war ich mit dem Papierkram hinterhergekommen, da hatte sie es sich schon wieder anders überlegt. Deswegen kann ich mich so gut an sie erinnern.«
»Sie meinen, sie hat die Schule verlassen und es sich dann wieder anders überlegt, oder ...«
»Überhaupt nicht. Die Liebe war schuld. Sie zog immer wieder in eine der Lehrerwohnungen, zu unserer damaligen ... sagen wir mal Hausmeisterin oder Mädchen für alles. Erst war Friede, Freude, Eierkuchen. Dann Streit und Tränen und der nächste Umzug. Dazu muss man sagen, dass sich das Ganze in aller Öffentlichkeit abspielte, ein bisschen peinlich, wenn Sie mich
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