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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
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ausgehend in die Vergangenheit arbeiten, hatte Tell angeordnet. Gonzales schloss die Augen und versuchte sich vorzustellen, was im Leben eines jungen Menschen von Bedeutung war. Was war von Bedeutung in seinem eigenen?
    Wo man wohnt. Was man tut. Er schrieb Job/Studium an den Rand. Ob man mit jemand zusammen ist. Vielleicht ein Freund? Freund/Kumpels/Clique .
    Vom Einwohnermeldeamt erfuhr er, dass My damals mit ihrer Mutter in Borås gemeldet war. Während der letzten zwei Jahre hatte sie noch eine c/o-Adresse in einem anderen Teil Schwedens gehabt, in Stensjön. Das hörte sich ja an wie das Ende der Welt. Bei dieser Adresse fand sich der Eintrag einer Stiftung: Arnold Janssons Stiftung für Handwerkskunst und Allgemeinbildung der Arbeiterklasse.
    Seit 1999 betrieb diese Stiftung nur noch ein Ausbildungszentrum für »die Entwicklung der lokalen Handwerkskunst«, aber vorher war in den Räumlichkeiten eine richtige Volkshochschule mit angegliedertem Internat untergebracht gewesen. Derselben Homepage konnte er entnehmen, dass diese Schule in nördlicher Richtung lag, etwas weiter im Landesinneren.
    Wenn also My die letzten zwei Jahre ihres Lebens in einem kleinen Kaff auf dem Land gelebt und studiert hatte, dann war es doch möglich, dass die Lösung des Falls mit dieser Schule oder der Umgebung zu tun hatte? Wenn man Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund, die aus verschiedenen Motiven ihren Heimatort verlassen hatten, in eine Baracke im Wald sperrte – das war doch das reinste Insel-Duell. Da konnte doch alles passieren, dachte Gonzales.
    Er suchte also jemand, der sich in Mys Nähe aufgehalten hatte und zu einem Mord fähig war, um ihr Andenken zu ehren – oder um den Bruder zu schützen.
    Er sagte sich, dass es nur zwei Alternativen gab. Wenn drei knapp dreißigjährige Männer dringend Geld brauchten, würden sie sich für ihren Überfall sicher keine Achtzehn-, Neunzehnjährige aussuchen. Nein, da war es wahrscheinlicher, dass sie betrunken den Entschluss gefasst hatten, My zu vergewaltigen. Warum hätten sie sie sonst auch in den Wald jagen sollen? Sie hatten vorgehabt, ihr wehzutun, obwohl die Geschichte dann eine ganz andere Wendung nahm und sie sie bewusstlos im Schnee liegen ließen.
    Er versuchte, das Netz weiterzuspinnen.
    Irgendjemand hatte also in Mys Namen auf diese Tat reagiert, gewalttätig und emotional. Wer könnte so etwas tun? Natürlich die Familie: Sebastian Graniths auf Tonband aufgezeichnetes Geständnis wurde gerade abgetippt.
    Als Nächstes dachte Gonzales an einen wutentbrannten Vater, doch laut Einwohnermeldeamt war der Vater unbekannt. Vielleicht war er aber trotzdem irgendwo da draußen und wartete nur darauf, Rache an den Verbrechern zu nehmen, die seine Tochter auf dem Gewissen hatten, sowie an der Mutter und der Umgebung, die sich geweigert hatten, ihn als Vater seiner Tochter anzuerkennen?
    Ja, die Mutter. Solveig Granith. Nachdem Tell sie getroffen hatte, meinte er, dass die Frau psychisch viel zu instabil sei, um einen Mord planen zu können. Natürlich war das ein Widerspruch in sich, denn ein normaler Mensch brachte keinen um, egal was er seiner Familie angetan hatte. Oder doch?
    Vor seinem inneren Auge tauchte das Bild seiner lebensfrohen Schwester auf, die im nächsten Moment im Schnee lag – sterbend zurückgelassen von ein paar geilen und besoffenen Kerlen, die keine Hilfe riefen, weil sie ihre eigene Haut retten wollten.
    Unbewusst ballte er die Fäuste und löschte das Bild schnell wieder aus seinen Gedanken.
    Freund? notierte er auf seinem Block.
    Dann griff er zum Hörer und wählte die Nummer des Rektors des Handwerkszentrums Stensjön. Zu seiner großen Überraschung meldete sich kein Anrufbeantworter.
    »Ich brauche Angaben zu einer Schülerin, die von 1993 bis 1995 die Volkshochschule Stensjön besucht hat. Ich weiß, das ist schon lange her, aber ...«
    Die Frau am anderen Ende der Leitung lachte. Sie hatte eine nette Stimme. »Ja, das ist wirklich lange her. Ich bin hier erst seit anderthalb Jahren Rektorin, deswegen kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen – damals war ich noch nicht mit im Boot. Berit Hjärpe, die vor mir Rektorin war, hat das Zentrum gegründet, aber Sie wissen ja, dass das hier jetzt eine ganz andere Einrichtung ist, obwohl noch dieselbe Stiftung dahintersteht. Früher war das hier eine eher traditionelle Volkshochschule.«
    Gonzales überlegte. »Könnten Sie für mich wohl den Kontakt zu irgendjemand herstellen, der 1995 im Boot

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