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Wintermord

Wintermord

Titel: Wintermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Ceder
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Reich da unten, gleich neben dem Heizkeller. Da steckten sie dann zusammen. Sie wissen schon, Jugendliche wollen ja am liebsten unter sich sein.«
    »Wann war das?«
    Dagny Molin lächelte, als wäre das eine furchtbar dumme Frage. »Thomas wohnte doch nebenan. Die beiden sind sozusagen zusammen aufgewachsen. Als Kinder spielten sie hier auf dem Gelände. Fuhren mit dem Fahrrad rum und mit ihren Tretautos. Was Kinder eben so machen.«
    »Und später?«, erkundigte sich Karin Beckman. »Als sie Teenager waren?«
    Dagny Molins Miene verfinsterte sich. »Welche Mutter weiß schon genau, was ihre halbwüchsigen Kinder so treiben? Sie hatten ihre Mopeds, da waren dann sicher noch mehr Jungs dabei, von den anderen Dörfern in der Gegend, aber ich kann mich nun wirklich nicht an alle Namen erinnern.«
    Sie warf einen Blick auf ihren Mann. Der hatte den Fernseher angeschaltet, wenn auch ohne Ton. »Thomas war ein bisschen ungehobelt«, fuhr sie fort. »Sven war immer ein lieber Junge, aber so beeinflussbar. Ich muss zugeben, manchmal hab ich mir Sorgen gemacht, dass er durch Thomas irgendwann in Schwierigkeiten gerät. Nicht, dass er böse gewesen wäre, das absolut nicht. Auch Reino nicht. Aber Jungs sind eben Jungs. Aber das weiß der Herr Wachtmeister sicher selbst. Sie sind noch nicht so alt, dass Sie das schon vergessen haben, oder?«
    Der warme Staub verbreitete einen erstickenden Geruch, und Karlberg spürte Panik in sich aufsteigen.
    Karin Beckman merkte, wie seine Autorität schwand, und übernahm rasch das Ruder. »Was genau meinen Sie damit, Frau Molin? Alkohol? Schlägereien? Könnten Sie da wohl etwas genauer werden?«
    Dagny Molin wand sich unbehaglich auf ihrem Stuhl und schürzte die Lippen. »Ja, es kann schon sein, dass Alkohol und auch mal eine Handgreiflichkeit im Spiel waren, aber Thomas ist ja mittlerweile verstorben. Er hatte den Hof geerbt und geheiratet, bevor ihn dieses Unglück ereilte. Aus ihm ist wirklich was geworden. Und aus Sven übrigens auch.«
    Sie lächelte. »Sven hat ganz von vorn angefangen. Er hat einen Betrieb gekauft. Eine Nerzfarm, oben in Dalsland. Zwei Kinder hat er gleich dazugekriegt, einen Jungen und ein Mädchen.«
    Sie zeigte auf das Klavier an der Tür zum Nebenzimmer. Zwischen Mutter und Vater einer Wichtelfamilie aus Porzellan stand ein gerahmtes Bild von einem Jungen und einem Mädchen mit asiatischem Einschlag. »Die Frau, die Sven kennengelernt hat, ist aus Thailand, ich hab ihren Namen vergessen. Wir sind einander nie vorgestellt worden, aber letzten Winter hat Sven uns dieses Bild geschickt. Ich bin froh, dass er endlich eine Frau hat. Er ist so ein guter Junge. Sie waren alle gute Jungen.«
    Das reinste Mantra, dachte Karin Beckman. Gute Jungen . »Was wissen Sie über Reino Edells Verhältnis zu Lise-Lott Edell?«, fragte sie.
    Bertil Molin riss sich einen Moment vom Fernseher los und fing ihren Blick über die Etagere hin auf. »Er hasst sie wie die Pest.«

18
    Auf Weihnachten freute er sich überhaupt nicht: Zu viel Essen, zu viel Alkohol und vor allem zu viele Verwandte.
    Als Bärneflod von seinem Haus in Floda zur Gemeindeverwaltung in Lerum aufbrach, hatte er zu allem Überfluss auch noch seine Frau nackt gesehen. Aus Versehen war er ins Schlafzimmer gekommen, als sie splitterfasernackt vor dem Schrank stand – an sich kein Anblick, der ihn aus der Fassung gebracht hätte.
    Schon vor fünfzehn Jahren war Ulla dazu übergegangen, sich nur noch im langen Nachthemd schlafen zu legen, in dem vergeblichen Bemühen, ihren körperlichen Verfall vor ihm zu verbergen. Dabei war es nicht so, dass ihr Körper irgendwie außergewöhnlich war, er sah weder besser noch schlechter aus als der anderer sechzigjähriger Frauen. Hier hing es ein wenig, da hatte er eine Delle, dort ein paar Falten. Doch solange keine Jüngeren und Hübscheren zur Verfügung standen, und davon konnte bei einem Mann von Bärneflods Alter und Gesundheitszustand keine Rede sein, hielt er es für müßig, sich darüber zu beschweren.
    Aber für die Frauen lagen die Dinge wahrscheinlich anders. Für Männer wurzelte das Selbstvertrauen in ihrem beruflichen Status. Für die Frauen hing alles am Aussehen. Vor allem für Frauen wie Ulla, deren Beitrag zu den häuslichen Finanzen allenfalls ein Taschengeld war. Immer hatte sie Angst gehabt, nicht wirklich geschätzt zu werden. So etwas lag ihm fern. Wer ihn nicht mochte, sollte es eben bleiben lassen. Und die Antipathie beruhte ja meistens auf

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