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Winternacht

Winternacht

Titel: Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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Euch. Myst darf nicht über das Land herrschen. Und … ich brauche Euch. Ich weiß doch nicht einmal, wie es ist, zu Eurem Volk zu gehören.« Die Worte strömten aus meinem Mund, ohne dass mir bewusst war, was ich da alles sagte.
    Sie schüttelte den Kopf, kurz, nur einmal. »Das wird dein Vater dir zeigen. Doch ohne den Herzstein wird es mir nicht gelingen, meine Kräfte zurückzuerlangen. Ich habe nicht mehr viel Zeit, bevor der Sommer geht und der Winter meine Seele einfordert. Myst kommt dem Stein gefährlich nahe. Ich spüre, wie sie die dürren Klauen danach ausstreckt und ihn sucht.«
    »Sie wird ihn aber nicht kriegen.« Ich setzte mich zurück. »Ich hole ihn. Aber Ihr müsst mir sagen, wo ich ihn finden kann.«
    »Die Gefahr ist zu groß –«
    »Die Gefahr, ohne Euch zu sein, ist noch viel größer!« Wieder beugte ich mich vor und sah ihr in die Augen. »Ich habe Angst, aber noch mehr Angst habe ich davor, was passieren wird, wenn Myst uneingeschränkt herrschen darf. Ihr müsst mir sagen, wo ich den Herzstein, finde.« Ich glaubte es zu wissen, aber es war besser, nachzufragen und es mir bestätigen zu lassen.
    Lainule sah an mir vorbei zu Wrath, der nickte.
    »Verstehst du, was du mir anbietest? Nein, das tust du nicht.«
    »Ich biete Euch an, Euer Leben zu retten.«
    »Nein, Cicely. Du bietest so viel mehr an als das. Du wirst ein Opfer bringen müssen, wenn du dich dazu entscheidest, und ich kann dir nicht sagen, was es ist. Noch nicht.«
    Stur schüttelte ich den Kopf. »Sagt mir, wo ich ihn finde.«
    Ihre Augen schimmerten, und sie zögerte, nickte aber schließlich. »Also gut. Du musst tief in den Wald hinein, zur Großvater-Zeder. Grieve und Chatter wissen, wo sie zu finden ist. Dort musst du das Portal suchen, das unter dem Baum verborgen liegt. Tritt durch das Portal und folge dem Pfad. Aber gib acht, denn der Stein wird von uralten Wesen bewacht. Wenn du sie nicht überzeugen kannst, dich durchzulassen, wirst du sie vielleicht töten müssen.« Ihr Atem kam nun abgehackt, und sie musste unterbrechen, um Kraft zu sammeln.
    »Das habe ich geträumt! Ich habe geträumt, dass ich das tue!« Ein Funken Hoffnung flammte in meinem Herzen auf, und ich nahm ihre Hand und vergaß, dass sie Königin war und ich nur die Bastardtochter ihres Gemahls.
    »Dann soll es vielleicht so sein.«
    »Habt Ihr und Geoffrey den Schattenjägern schon das Gegenmittel verabreicht?« Ich hoffte es nicht, denn dann könnten wir relativ unbehelligt am Tag reisen.
    »Nein«, antwortete sie – die erste gute Nachricht, die ich seit langer Zeit hörte. »Wir konnten uns nicht einigen, und ich vernichtete im Zorn das Gegengift und meine Aufzeichnungen darüber. Außerdem habe ich den Vampir gepfählt, der wusste, wie es hergestellt wurde.«
    Mir vorzustellen, wie die Sommerkönigin einen Vampir pfählte, ließ scheußliche Bilder in meinem Kopf aufsteigen, aber ich verdrängte sie. Ich musste froh sein, dass etwas ihren Zorn geweckt hatte.
    Sie öffnete die Lippen, die nun rissig und blutend waren, und flüsterte: »Dann geh, mein Kind. Such meinen Herzstein, und bring ihn zu mir zurück, wenn du kannst. Aber, Cicely … ich glaube, du weißt nicht, was du damit ins Rollen bringst. Bist du wirklich bereit, mit den Folgen umzugehen? Durch diese Tat ändert sich vieles, das andernfalls vielleicht so hätte bleiben können. Wenn man ein Leben rettet, trägt man die Last für den Rest seiner Tage.«
    Mir stockte erneut der Atem. Ihre Worte – ein Fluch, ein Segen, eine Vorhersage – drückten mich nieder. »Ja. Ich werde hinnehmen, welche Folgen sich auch daraus ergeben mögen.«
    »Dann geh, und mögen die Götter mit dir sein. Wenn du mir meinen Herzstein bringst, kann ich mich vielleicht wieder erheben und Myst und den Schnee noch eine Weile zurückdrängen. Mein Volk zieht in den Krieg, wenn es muss. Ich habe gehofft, dass es sich vermeiden ließe, denn wir haben schon so viel verloren. Aber unsere Möglichkeiten werden immer geringer, und nun liegt unsere letzte Hoffnung in einer Schwertklinge.« Damit schloss sie die Augen, und einen Moment lang befürchtete ich, dass sie schon tot war, aber dann hustete sie und murmelte etwas im Schlaf.
    Wrath küsste sie auf die Stirn und führte mich davon. Seine Miene war undurchdringlich. Als wir die Kammer verließen, wandte er sich mir zu. »Ich kann nicht mit dir kommen. Der Gemahl der Königin darf den Herzstein nicht berühren. Aber Chatter und Grieve werden dich begleiten, und

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