Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winternacht

Winternacht

Titel: Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
Vom Netzwerk:
wir endlich unten ankamen, stapften selbst Chatter und Grieve durch Pulver. Der Bach war gefroren, obwohl ich durch das Eis Bläschen sehen konnte. Wir würden also nicht hinübergehen können – die Eisschicht war nicht dick genug.
    Wir hielten an und blickten zurück. Von hier unten kam uns der Hang fast wie ein Berg vor, und mir graute es schon jetzt vor dem Rückweg. Ich holte einen Eiweißriegel aus meinem Rucksack, brach ihn in der Hälfte durch und reichte ein Stück Rhiannon. Chatter und Grieve schien es gutzugehen, aber Kaylin nahm sich ebenfalls einen Riegel und aß ihn auf. Ich kaute, kippte mit Wasser aus meiner Flasche nach, wischte mir den Mund und holte unsere Karte hervor.
    »Nach rechts. Wir sollen dem Bach flussaufwärts folgen.«
    Grieve nickte. Er kam zu mir und küsste mich leicht auf die Lippen. Seine weißen Reißzähne blitzten im Licht des Tages auf. Er schnupperte an meinem Hals. »Ich habe Durst auf dich«, flüsterte er, und in seinen Augen flackerte eine gefährliche Gier.
    Ich trat zurück und legte ihm eine Hand auf die Brust. Er nahm sie und hob sie an seine Lippen, wo er sie umdrehte und Ärmel und Handschuhe zurückschob, um mein Handgelenk zu entblößen. Langsam und ohne den Augenkontakt auch nur eine Sekunde zu brechen, senkte er den Kopf und zupfte leicht an der Haut. Als ein dünnes Rinnsal aus Blut hervorquoll, reagierte mein Körper unverzüglich, und ich hätte mich am liebsten ausgezogen, ihn an mich gezerrt und in Schnee und Eis mit ihm geschlafen. Aber ich zwang mich, stehen zu bleiben, während er die Tropfen von der kleinen Wunde leckte.
    »Wir sind in Mysts Reich. Die Vampirfee in dir will spielen.« Ich würde nicht versuchen, ihn daran zu hindern – ich wusste inzwischen, dass so etwas ungesund sein konnte –, ich wollte ihn nur zu sich zurückbringen.
    Er hielt inne und starrte mich an. Seine Lider flatterten. Dann wich er mit einem Schaudern zurück. »Der Ort hier bekommt mir nicht. Aber jetzt gibt es kein Zurück. Pass auf mich auf, Cicely. Chatter, ich verlasse mich auf deinen Verstand. Wenn du merkst, dass ich zu sehr abgleite, dann bring sie von hier weg.«
    Grieve sah so zerknirscht aus, dass ich am liebsten zu ihm gegangen wäre, um ihn zu trösten und ihm zu versichern, dass ich ihn nie wieder verlassen würde, was immer auch geschah, aber ich wusste, dass solche Versprechungen in dieser Eiswelt wie brennendes Papier waren: schnell entzündet, doch noch schneller zu Asche verbrannt. Stattdessen legte ich meine Finger auf die Lippen und streckte sie ihm dann entgegen. Er begriff und nickte.
    »Wir sollten weitergehen. Kommt, Leute.« Er wandte sich um und übernahm erneut die Führung. Chatter schenkte mir ein trauriges kleines Lächeln, dann schloss er sich an. Ich ging als Dritte, hinter mir Rhiannon und Kaylin.
    Nach einer Weile hielt Chatter die Hand hoch, und wir stoppten. »Wir kommen jetzt auf die Lichtung, die dein Vater erwähnte.«
    Ich nickte. Mir war inzwischen so kalt, dass ich kaum noch denken konnte. Es fiel immer noch Schnee, die Flocken nur winzig und leicht, aber sie fingen sich in meinen Wimpern und erstarrten dort, bissen mir in die Nase und schmolzen auf den Lippen.
    Das Flussbett bog nach links ab, während der Weg an der rechten Seite weiter daran entlangführte, und plötzlich betraten wir eine offene Wiese, die von hohen Bäumen umringt war. Wir versuchten noch, uns zurechtzufinden, als Grieve plötzlich von etwas umgestoßen wurde und einen überraschten Ruf ausstieß. Ich rannte los, während ich mich hastig umblickte. Was hatte ihn umgerissen?
    Und dann sah ich es. Ich bremste aus vollem Lauf, kam rutschend zum Stehen und wäre fast kopfüber in den Schnee geplumpst.
    Vor mir ragte ein durchsichtiges, zweibeiniges Wesen auf. Das Gesicht war vollkommen plan ohne Anzeichen von Augen, Nase oder Mund, und seine Glieder waren abgewinkelt und geriffelt wie Eiszapfen. Ein Eiselementar.
    »Was soll denn das? Eiselementare nehmen uns normalerweise gar nicht zur Kenntnis.« Chatter umkreiste das Wesen, das starr und abwartend dastand wie eine Statue.
    »Keine Ahnung, was der hier macht.« Ich blickte zu dem Elementar auf und tat einen Schritt voran. Das Wesen bewegte sich ganz leicht und hob einen Arm. Ich stellte meinen Fuß ab, und das Wesen verharrte abwartend.
    »Sie scheinen uns daran hindern zu wollen, die Wiese zu betreten.« Kaylin kam fast lautlos hinter mir heran und stellte sich neben mich.
    »Sie?«
    »Schau mal.«
    Ich folgte

Weitere Kostenlose Bücher