Winternacht
erreicht.«
»Wenn also morgen oder der Tag darauf so gut ist wie heute, dann könnte die Abmachung wohl getroffen werden. Frisches Fleisch von zwei Kaninchen oder zwei fette Hühnchen oder vielleicht ein dickes Lendenstück, um mehrere Münder zu stopfen, im Austausch für etwas, das man wissen müsste?«
Sie gackerte und hielt ihm die Hand hin. »Abmachungen müssen mit Blut besiegelt werden. Einer von den Cambyra-Feen sollte die Regeln kennen.«
Chatter wandte sich zu Grieve um, der ein Messer zückte und Chatter ohne mit der Wimper zu zucken in den Daumen schnitt. Blut rann ihm über die Hand. Chatter drehte sich wieder zu der Vettel, die sich ebenfalls geschnitten hatte, und sie gaben einander die Hände und drückten fest, so dass Blut hervorquoll und in den Schnee darunter tropfte.
»So sei die Abmachung besiegelt.« Ihre Augen verengten sich, und sie deutete auf den Pfad, der noch vor uns lag. »Auf jenem Weg ein Stück voraus sitzt auf einem umgestürzten Baum eine schöne Hexe. Einst eine Magiegeborene, doch von Myst zu ihrem Nutzen verwandelt. Sie hat üppige rote Locken wie die der Entdeckerin, die mit euch zieht. Sie wartet, sie weiß, dass ihre Tochter kommt, aber sie ahnt nicht, dass eine Wildling-Fee eine Abmachung getroffen hat. Sie will die Expedition zerstören.«
Heather! Heather wartete auf uns!
»Aber wie kann das sein? Die Rotschopf-Hexe ist Vampirin. Und Tageslicht bescheint den Wald, mag es auch durch Wolken gedämpft sein.«
»Man müsste sich freilich fragen, was für eine Art Vampirin sie geworden ist, könnte sich fragen, was geschieht, wenn Myst Magiegeborene verwandelt. Werden sie wohl echte Vampire oder Vampire des Indigo-Hofs, die am helllichten Tag wandeln können, falls es denn nötig sein sollte?«
Meine Gedanken rasten, als Rhiannon mit der Hand einen kleinen Schrei erstickte und zu mir herumfuhr. Fast panisch sah ich zu Chatter und Grieve.
»Sie hat recht«, sagte Chatter. »Falls ich mich recht erinnere, werden die Magiegeborenen, die Myst verwandelt, eher wie die Vampirfeen, wenn sie auch nicht dieselben Kräfte entwickeln. Es ist also plausibel, dass sie im Tageslicht existieren kann, aber das würde dennoch bedeuten, dass die Lichtaggression sie nicht beeinträchtigt. Warum nicht?«
Nachdenklich zog ich die Brauen zusammen. »Die Lichtaggression hat Grieve außer Gefecht gesetzt, aber er ist Fee, nicht Magiegeborener.«
Bevor ich noch etwas sagen konnte, hielt Chatter die Hand hoch und wandte sich wieder der Schneevettel zu. »Morgen oder den Tag darauf mag die, die um Fleisch gehandelt hat, am Rand der Straße warten, wo der Pfad zum Wunschbrunnen abzweigt. Man fragt sich, ob die Handeltreibende wohl weiß, wo das ist?«
»Man tut gut daran, sich zu fragen, aber vielleicht wird die Frage mit einer Bestätigung erwidert, dass jener Ort in der Tat wohlbekannt ist. Und nun ist es Zeit für eine gewisse Wildling-Fee, sich weit fort von hier zur Ruhe zu begeben. Zu viel Gefahr herrscht hier im Wald, zu viel der Angst.« Und ohne ein weiteres Wort verschwand die Schneevettel im Dickicht.
Rhia wandte sich zu mir um, ein stummes Flehen auf ihrer Miene.
Ich breitete die Arme aus, und sie sank schluchzend an meine Schulter. Leise flüsternd, so leise, dass der Windschatten die Worte nicht tragen konnte, sagte ich: »Wir finden deine Mutter und betten sie zur Ruhe. Myst wird sie nicht länger für ihre Zwecke missbrauchen.«
Und in der grausamen Gewissheit, dass wir beide kurz vor der härtesten Herausforderung unseres Lebens standen, packte ich sie an den Schultern und schob sie ein Stück zurück. »Kannst du das? Kannst du uns auch nur zusehen, wie wir es tun? Wir müssen sie pfählen – sie vernichten.«
Heather, Rhiannons Mutter, war von Myst gefangen genommen worden, genau wie Peyton, doch Heather hatte ihr Leben dafür gegeben, dass Peyton verschont wurde. Myst hatte sie ausgesaugt und zu einem Vampir gemacht. Schwächer als gewöhnliche Vampire, aber noch mit ihren magischen Kräften versehen, stand Heather nun unter Mysts Bann und arbeitete für sie. Und im Augenblick wartete sie auf uns.
Rhiannon wappnete sich sichtlich. Ihr Gesicht sah im Kontrast zu ihrem roten Haar leichenblass aus. »Ich bin bereit. Wir tun, was wir müssen. Ich will nicht, dass sie weiterhin so leben muss. Sie würde mich anflehen, sie zu erlösen, wenn sie nicht verhext wäre.«
Chatter trat vor und nahm Rhiannons Hand. Zärtlich strich er ihr das Haar aus dem Gesicht, dann beugte er
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